Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
die Augen angesichts dieser letzten Ironie des Lebens. Wenn das kein grausamer Streich des Schicksals war, dass sie ungewollt der Auslöser für Fias Flucht gewesen war! Dabei hatte sie ihre Familie doch retten wollen!
Da kamen ihr Colleens Worte wieder in den Sinn. Ich kann nur sagen, dass ich es noch verschlimmert habe. War es das, was Danni tat? Alles nur noch zu verschlimmern? Aber Colleen war überzeugt gewesen, dass Danni es in Ordnung bringen konnte ... dass sie alles tun konnte, was sie sich vornahm und für richtig hielt.
»Himmel, Herrgott, Sakrament noch mal«, murmelte sie.
Was ihr niemand erklärte, war, wie ... wie brachte sie ihren Verstand dazu zu tun, wozu ihr Herz sie drängte? Sie war jedenfalls nicht sehr erfolgreich darin gewesen, als sie es an diesem Morgen versucht hatte. So verzweifelt sie auch gewünscht hatte, die schrecklichen Geschehnisse zu verhindern, war das Ergebnis doch das gleiche gewesen. Es würde mehr erfordern als nur Dannis Wunsch, die Dinge zu verändern. Offensichtlich konnte sie das nicht allein bewirken. Sie brauchte das Buch von Fennore.
Es wird Ihnen ein Stück Ihrer Seele nehmen, hatten die Zwillinge gesagt.
Aber war ein Stück von ihrer Seele nicht nur ein geringer Preis, wenn sie Sean dadurch retten konnte? Denn was wäre das Leben ohne ihn? In nur wenigen Tagen war er ihr schon so ans Herz gewachsen. Sie liebte Sean Ballagh, so dumm und unpraktisch das vielleicht auch war, und sie würde tun, was immer nötig war, um ihn zu retten.
Selbst wenn es dir den Teil nimmt, der dich menschlich macht?, höhnte eine Stimme in ihrem Kopf, und sofort sah Danni wieder die Augen ihres Vaters vor sich ... ihr hartes Glitzern ... das kalte Versprechen darin: Eher bringe ich dich um, bevor ich dir das Buch überlasse.
Und Danni glaubte ihm aufs Wort.
Ohne sich ihrer Gegenwart bewusst zu sein, schob Fia die Gepäckstücke an die Wand, wo die tiefen Schatten sie verbargen. Nach einem nervösen Blick durch die Höhle eilte sie wieder die Treppe hinauf. Danni wartete, bis ihre Schritte nicht mehr zu hören waren, bevor sie ihrer Mutter folgte.
Die uralten Stufen waren stark abgetreten und halb verfallen, an einigen Stellen sogar schon so zerbröckelt, dass Danni sich nur mit größter Vorsicht hinaufbewegen konnte. Die Wände des Treppenhauses waren mit Schimmel bedeckt und glatt, und es war so dunkel, dass sie ihre eigenen Füße fast nicht sehen konnte. Je höher sie stieg, desto vollkommener wurde die Dunkelheit, die sie umgab.
Das Gefühl, von dieser erdrückenden Schwärze so fest eingehüllt zu werden, dass sie kaum noch atmen konnte, versetzte sie in Panik. Die beängstigende Empfindung wurde so stark, dass Danni schon befürchtete, nicht weitergehen zu können, als sie plötzlich ihre Hände wie zwei kleine weiße Vögel im Dunkel sehen konnte und ihre Angst und Panik nachließen. Und dann wurde es endlich heller vor ihr, und sie atmete erleichtert auf.
Aus dem Dunkel gelangte sie an einen Wehrgang auf der verfallenen Burgmauer. Er war einst von einer Brüstung umgeben gewesen, doch die war zum größten Teil schon der Zeit und den Elementen zum Opfer gefallen und in die See gestürzt, sodass es hier oben keinen Schutz mehr vor dem scharfen Seewind gab. Etwa zwölf Meter weiter war der Wehrgang mit einem weiteren Turm verbunden - der ganz offensichtlich Fias Ziel war.
Danni wappnete sich innerlich, bevor sie auf den Gang hinaustrat, wo sie sich in der Mitte hielt und nur sehr vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte, als starke Windböen ihren Körper peitschten. Die Aussicht von hier oben war jedoch so fantastisch, dass sie gar nicht anders konnte, als zu den ausgedehnten Weidegründen, dem zwischen den Hügeln eingebetteten kleinen Dorf und der See dahinter hinabzublicken. Die von kleinen Schaumkronen bedeckte See, die unablässig in Bewegung war und krachend unter ihr an die Klippen schlug, rief ein Gefühl der Weite und Unendlichkeit in Danni hervor.
Als sie den Turm erreichte und in den zweifelhaften Schutz seines Gemäuers trat, war sie völlig außer Atem und schrie fast auf, als Fia ihr in den Weg trat und sie anherrschte: »Warum verfolgen Sie mich?«
»Ich ... wie kommen Sie darauf?«, protestierte Danni unsinnigerweise. »Ich wollte nur sehen, wohin die Treppe führt.«
»Das haben Sie ja jetzt. Und was wollen Sie noch sehen?«
»Nichts.«
Fia verschränkte ihre Arme vor der Brust und verengte argwöhnisch die Augen. Sie hatte Angst, sah Danni. Angst
Weitere Kostenlose Bücher