Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
er kein Geld hat, irgendwen zu bestechen. Furchtbar geldgierig, die italienischen Informanten. Und wenn es keine Leiche gibt, gibt es auch keinen Mord. Die verstehen ihr Geschäft, die italienischen Jungs. Die Nachbarn der Dolfinis haben sie auch eingeschüchtert, die sagen kein Wort. Wie es aussieht, Ilveskero, kümmern wir uns lieber nur um unsere eigenen Angelegenheiten. Wenn die großen Bosse beschließen zu schweigen, ist der Löwe der Gerechtigkeit nur ein mickriges Kätzchen, dem man jederzeit den Hals umdrehen kann.»
«Warum bist du Polizist geworden, Laitio?», fragte ich, und mein Magen knurrte dazu.
«Ach ja, die hätte ich fast vergessen.» Laitio zog eine Banane aus der Tasche seiner verfilzten Strickjacke. «Iss die, damit das Gegrummel aufhört. Meine Alte behauptet, eine Banane hätte so viel Kalorien, dass sie als Mittagessen für eine Frau völlig ausreicht.»
Die Banane stillte meinen Hunger im selben Maß wie ein mageres Eichhörnchen den eines Luchses, aber ich bemühte mich, sie nicht allzu schnell herunterzuschlingen. Laitio war immer wieder für eine Überraschung gut.
«Polizist … du stellst ganz schön intime Fragen. Weil es verdammt viel Spaß macht, Gauner zu fassen! Aus purer Herrschsucht, nehme ich an. Weil man in dem Beruf ganz legal Leute anscheißen darf.» Laitio zog die oberste Schublade der Kommode auf, in der er seine Zigarren aufbewahrte. Der Zigarrenabschneider klackte laut, dann steckte sich Laitio die Cohiba zwischen die Lippen. Das Streichholz fing erst beim dritten Versuch Feuer. Da ich nun nicht einmal mehr den Hunger als Vorwand für einen raschen Aufbruch anführen konnte, musste ich mich gedulden, statt zum nächsten Computer zu rennen und die geheimen Dateien der Zentralkripo zu knacken.
«Und du hast dich zur Leibwächterin ausbilden lassen, um wiedergutzumachen, dass du deine Mutter nicht vor deinem Vater retten konntest.» Laitios Augen strahlten vor Glück, als seinem Mund der erste Rauchkringel entwich.
«Drittklassige Küchenpsychologie. Ich war vier Jahre alt, wie hätte ein so kleines Kind einen Mord verhindern können!»
«Kinder glauben oft, alles wäre ihre Schuld. Hast du in letzter Zeit etwas von Keijo Kurkimäki gehört?»
Ich erstarrte wie immer, wenn ich den Namen meines Vaters hörte. Das heißt, für mich war dieser Mann nicht mein Vater. Er hatte mich nur gezeugt und mir damit die Gene eines Mörders vererbt. Ich schüttelte den Kopf. Als Teenager hatte ich mir alle möglichen Methoden ausgemalt, meinen Vater zu töten, je grausamer, desto besser. Onkel Jari hatte sich Sorgen um mich gemacht, weil ich in der Landesbibliothek Bücher über die wüstesten Foltermethoden bestellt hatte.
«Es müsste auch für Bücher Altersgrenzen geben», hatte er gesagt, als er ein englischsprachiges Werk über die Inquisition entdeckte. Vom Text verstand er nicht viel, aber die Abbildungen von aufs Rad geflochtenen Opfern und Hodenquetschern sagten genug. «Warum um Himmels willen liest du so etwas, liebes Kind? Kein Wunder, dass du im Schlaf schreist, du hast natürlich Albträume. Solltest du vielleicht mal zu einem … wie heißen die noch … einem Pschy…»
«Ich brauch keinen Seelenklempner! Ich will nur wissen, wovor ich mich in Acht nehmen muss», hatte ich geantwortet.
Mein Handy klingelte. Monika fragte, wo ich abgeblieben sei. Sie hatte schon befürchtet, ich hätte einen Unfall gehabt. Ihr Anruf gab mir einen Grund, mich zu verabschieden. Laitio trug mir auf, ihm Bescheid zu sagen, wenn ich noch einmal auf Trankow stieß. Er selbst werde sich nach Syrjänens Aktivitäten erkundigen.
Ich holte mir im nächsten Deli ein Sandwich mit Schinkenspeck und aß es auf dem Weg zum Wagen. Monikas Ideologie ethisch einwandfreier Nahrung war achtenswert, und ich arbeitete gern für sie, aber manchmal musste ich auch sündigen dürfen. Es war fast Mitternacht, als wir endlich nach Hause kamen. Schon am Freitag der nächsten Woche sollte die Eröffnung stattfinden, und ein Teil des Wochenendes würde für die Messe in Turku draufgehen. Monika ging nach dem Duschen sofort schlafen, denn um sieben klingelte der Wecker. Ich dagegen loggte mich in die Datenbank der Zentralkripo ein. Natürlich bestand die Gefahr, dass Laitio genug von Computertechnik verstand, um nachzuprüfen, um welche Uhrzeit sein Passwort zuletzt verwendet worden war. Doch dieses Risiko musste ich eingehen.
Zuerst fühlte ich mich, als wäre ich in einen Bonbonladen eingebrochen. Ich
Weitere Kostenlose Bücher