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Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Titel: Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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mich für ihren Tod immer noch verantwortlich, obwohl ich rein sachlich gesehen zur Zeit des Anschlags bereits aus ihrem Dienst ausgeschieden war. Helena Lehmusvuo war entführt worden, als ich sie einen Nachmittag lang allein gelassen hatte. Bei Monika würde ich keinen Fehler machen.
    In der Messeküche war vor uns irgendein Brasilianer zugange. Die Steaks, die er briet, waren so dick, dass davon ein ganzes Dorf in Mosambik satt geworden wäre. Monika schüttelte den Kopf. An der Fleischtheke stand in großen Buchstaben «Messe Angebot», und die schwedischsprachige Monika fragte mich, ob man das Wort auf Finnisch tatsächlich getrennt schrieb. Ich lachte über ihre Pingeligkeit. Im Gegensatz zu den brasilianischen Steaks zogen Cassava und Piri-Piri-Huhn kein großes Publikum an. Wahrscheinlich wäre der Erfolg ebenso mickrig gewesen, wenn jemand versucht hätte, Franzosen Makkaroni-Auflauf schmackhaft zu machen. Ich war allerdings froh, dass die Menschenmenge überschaubar blieb. Nach der Präsentation verwickelten zwei aufgekratzte ältere Frauen in bunten Kaftanen Monika in ein Gespräch, obwohl die für die Studioküche zuständige Mitarbeiterin der Messe uns von der Bühne scheuchen wollte. Die beiden arbeiteten für irgendeinen Kleinverlag, der alternative Literatur veröffentlichte, und wollten Monika überreden, ein Kochbuch zu verfassen.
    «Erst wenn sich das Sans Nom einen Namen gemacht hat», wiegelte Monika ab, und die Frauen lachten über ihren Scherz. Durch meine frühere Tätigkeit im Chez Monique wusste ich bereits, dass meine Chefin für einige Menschen ein Guru war. Ich hatte nie verstanden, weshalb manche Leute jemanden auf ein Podest stellten und seine Lehren befolgten. Sollte nicht jeder selbständig denken? Das hatte Mike Virtue uns doch immer wieder erklärt: Die Sicherheitsakademie Queens könne uns das Werkzeug an die Hand geben, Menschen zu schützen, aber wie wir es einsetzten, läge in der Verantwortung jedes Einzelnen.
    Monika wollte sich nach ihrem Auftritt noch auf der Buchmesse umsehen. Widerstrebend stimmte ich zu. Im Foyer der Messehalle spielte jemand Bratsche. Ich fürchtete mich vor einer bestimmten Art von klassischer Musik, ohne genau zu wissen, welche Komponisten ich meinte. Viele Symphonien und Opern ließen mich kalt, aber es gab Stücke, die mich zu nahe an mich selbst heranführten. Der Mann mit dem blonden Pferdeschwanz und dem bunten Pullover spielte gerade solch ein Stück, und natürlich blieb Monika stehen und hörte zu. Ich atmete tief durch, versuchte an etwas anderes zu denken, doch die Musik drang in mich ein, trieb mir Tränen in die Augen, bereitete mir Unwohlsein und versetzte mich gleichzeitig in einen Zustand tiefsten Friedens. Obendrein spielte der Mann für uns, er blickte abwechselnd Monika und mich an, und ich hatte das Gefühl, dass seine Musik mich durchschaute. Als das Stück zu Ende war und Monika ein Gespräch mit dem Mann begann, verdrückte ich mich.
    Ich ging in den Buchmessebereich, hätte aber angesichts des Gedränges beinahe wieder kehrtgemacht. Bei dem Café in der Ecke herrschte weniger Betrieb. Ein Bier hätte mir geschmeckt, aber ich musste ja noch fahren. Ich wollte gerade zu Monika und dem Musiker zurückkehren, als ich an einem der Tische eine bekannte Gestalt entdeckte. Martti Rytkönen schien ein Bücherwurm zu sein. Auf seinem Tisch lag ein Stapel schmale Bände, offenbar Lyrik, und daneben stand ein Sektglas.
    Vielleicht hatte die Musik mich unvorsichtig gemacht. Ich schlich mich näher, bis ich nur noch wenige Meter von Rytkönen entfernt war. Die Messeabteilungen waren durch Stoffbahnen voneinander getrennt; ich schob mich hinter die nächste und tat, als ob ich mich für die Titelbilder von Jugendbüchern interessierte, die daran befestigt waren. Dann drückte ich die Nummer drei auf meinem Prepaid-Handy, die Kurzwahl für Kass, und spähte dabei zu Rytkönen hinüber. Er suchte fieberhaft in seinen Taschen, zog ein iPhone heraus, dann ein zweites Handy. Erst am dritten, einem grellroten alten Nokia, meldete er sich.
    «Rytkönen.»
    «Das höre ich», flüsterte ich auf Schwedisch.
    «Lanotte, bist du das?» Rytkönens Schwedisch hatte einen ebenso breiten Savoer Akzent wie meins. «Alles in Ordnung bei dir? Vor ein paar Wochen hat mich ein Betrüger angerufen und behauptet, dein Handy wäre gestohlen worden. Seit April hat keiner mehr etwas von dir gehört, nicht einmal Jaan. Was ist denn nur los?»

10
    Verdammt! Rytkönen

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