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Der Löwe

Der Löwe

Titel: Der Löwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson DeMille
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meiner rechten Schulter, und ich sah den Springer im schwarzen Overall, der meiner Meinung nach in der Maschine zu dicht hinter ihr gewesen war. Mit einem Mal wurde mir klar, dass er an ihr hing. Was zum Teufel …?
    Er hatte den rechten Arm um ihren Körper geschlungen und
hielt sich offenbar mit der linken Hand am Greifer ihres Overalls fest. Außerdem sah ich, dass er seine Beine um sie geschlungen hatte. Wegen ihres gemeinsamen Gewichts und ihrer Körperhaltung in der Luftströmung fielen sie schneller als ich. Innerhalb weniger Sekunden waren sie unter mir und sanken immer weiter weg.
    Ich traute meinen Augen kaum, und mein Herz fing an zu rasen. Was war das? Vielleicht, dachte ich, hat er ein Problem und hält sich an ihr fest. Vielleicht war der Typ in Panik geraten, oder er hatte sich den falschen Springer für Relativübungen ausgesucht, oder ich verstand das Ganze einfach nicht.
    Kate und der Typ waren jetzt ein paar hundert Meter unter mir und wurden im gemeinsamen freien Fall immer schneller. Mir kam mit einem Mal der Gedanke, dass der Typ Selbstmord begehen wollte und Kate aus irgendeinem Grund mit sich riss. Dann sah ich, wie sich der kleine Hilfsschirm aus Kates Fallschirmsack löste, aufging und dann den Hauptschirm aus dem Container zog, worauf der sich ebenfalls mit Luft füllte.
    Gott sei Dank.
    Kates weißer Schirm mit den roten Markierungen war ganz geöffnet, worauf ihr Freifall mit einem jähen Ruck endete, der ihre Fallgeschwindigkeit auf etwa fünf Meter pro Sekunde abbremste. Ich blieb weiter im freien Fall und sah, dass der andere Typ immer noch an ihr hing und beide unter ihrem Schirm pendelten. Kurz darauf schoss ich an ihnen vorbei, warf dann – wie man es mir beigebracht hatte – einen Blick auf den Höhenmesser an meinem Handgelenk: achttausendvierhundert Fuß. Warum hatte sie ihren Schirm so früh geöffnet? Ich ergriff meine Reißleine, bog meinen Körper durch und blickte mich um, weil ich sichergehen wollte, dass keine anderen Schirme in der Nähe waren – dann zog ich Leine. Ich zählte wie vorgeschrieben – eintausend, zweitausend  – und wartete ab, um festzustellen, ob ich meinen Reserveschirm brauchte. Ich blickte über meine
rechte Schulter und sah meinen Hilfsschirm aufsteigen. Ich drehte mich wieder um und spürte den Ruck, als sich der Hilfsschirm mit Luft füllte, dann einen weiteren Ruck, der darauf schließen ließ, dass der Hauptschirm aufgegangen war. Ich blickte hoch, um mich davon zu überzeugen, dass das jähe Abbremsen, das ich spürte, tatsächlich daher rührte, dass sich mein Hauptschirm voll geöffnet hatte und ich den Reserveschirm nicht brauchte. Jetzt, da ich alles unter Kontrolle hatte, suchte ich die Umgebung ab, um festzustellen, ob Kate und der Typ, der an ihr hing, aufgeholt hatten.
    Ich entdeckte Kate und ihren Passagier etwa dreißig Meter über und etwa dreißig Meter vor mir. Wieder sanken sie aufgrund des Gewichts des Typen, der sich an ihr festhielt, etwas schneller als ich. Der Luftstrom war jetzt erheblich leiser, deshalb rief ich: »Kate!«
    Sie schien mich weder zu hören noch zu sehen, aber der Typ, der an ihr hing, blickte auf.
    »Kate!«
    Ich musste näher rankommen, weil sie und der Typ aufgrund der höheren Geschwindigkeit zu tief absanken – aber Relativspringen mit offenem Schirm ist von Haus aus gefährlich, denn bei einer falschen Bewegung konnten sich die beiden Schirme verheddern, was zur Folge hätte, dass wir alle wie ein Stein zu Boden fielen. In Deland hatte man uns diesbezüglich einen furchtbaren Film vorgeführt, und alle in der Klasse hatten kapiert, worum es ging.
    Sobald wir auf gleicher Höhe waren, zog ich an meinen Frontrisern, sodass ich mich ihrer Geschwindigkeit anpassen und meinen Schirm näher zu ihrem steuern konnte. In knapp einer Minute waren unsere Schirme nur mehr fünfzehn Meter voneinander entfernt, was fast zu nahe war.
    »Kate!«
    Sie blickte zu mir.

    »Was ist los?«, schrie ich.
    Sie rief irgendetwas, aber ich konnte sie nicht verstehen.
    Vorsichtig manövrierte ich näher, und jetzt sah ich eine kurze Schnur zwischen ihnen, die sowohl an Kates Greifer als auch an dem des Kerls befestigt war, und das erklärte auch, weshalb er seit dem Absprung, während des freien Falls und beim jähen Abbremsen nach dem Öffnen des Schirms bei ihr geblieben war. Aber was ging da vor sich? Wer war dieser Idiot?
    »Kate!«
    Wieder rief sie mir etwas zu, aber ich verstand lediglich »John« und danach

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