Der Löwe
bin.
»Bitte nicht fluchen«, sagte ich.
Sie schrieb: Sieh zu, dass du mir einen Laptop beschaffst, damit ich
E-Mail habe und ins Internet komme. Ich wollte nicht, dass sie etwas über die Haythams las, deshalb schwindelte ich ein bisschen. »Auf der Intensivstation sind keine Laptops erlaubt. Sie strahlen Mikrowellen ab, die sämtliche Monitore stören.«
Sie schien es mir abzukaufen, deshalb stimmte es vielleicht sogar.
In dem Moment kam Dr. Goldberg, um nach seiner Patientin zu sehen, und strahlte übers ganze Gesicht. Irgendwie muss es ein großartiges Gefühl sein, jemandem das Leben gerettet zu haben. Als Detective der Mordkommission habe ich fast nur Opfer gesehen, die auf dem Weg ins Leichenschauhaus waren, nicht ins Krankenhaus. Und ich habe, um ehrlich zu sein, ein paar Täter an beide Örtlichkeiten befördert, hatte dabei aber nie ein gutes Gefühl. Na ja, manchmal vielleicht doch.
Ich musste wieder an mein letztes Gespräch denken, das ich vor drei Jahren an Kates Handy mit Asad Khalil geführt hatte. Er hatte zu uns gesagt: »Ich wollte mich nur verabschieden und Sie daran erinnern, dass ich wiederkommen werde.«
Offenbar hegte er eine heftige Abneigung gegen mich und Kate. Und wir mochten ihn offen gestanden auch nicht. Ich meine, das Arschloch wollte uns umbringen. Da war es nicht weiter verwunderlich, dass sich unsere beruflichen Beziehungen – Gesetzesbrecher und Ordnungshüter – zu einer ungesunden persönlichen Feindschaft verschlechtert hatten. Asad Khalil hatte seinen Einsatz abgebrochen, und ich hatte den Versuch aufgegeben, ihn festzunehmen; das neue Spiel lautete jetzt für jeden von uns: Bring den Typen um. Schlicht und einfach.
Als er mir vor drei Jahren erklärt hatte, dass er zurückkehren werde, hatte ich begeistert erwidert: »Ich freue mich schon aufs Rückspiel.«
Daraufhin hatte er zu mir gesagt: »Ich werde Sie und die Hure, mit der Sie zusammenarbeiten, töten, und wenn ich mein ganzes Leben dazu brauche.«
Ich schaute Kate an und erinnerte mich, dass sie sich ganz und gar nicht gefreut hatte, als Khalil sie als Hure bezeichnet hatte. Und wissen Sie, ich kann’s ihr nicht verübeln. Andererseits gilt es gewisse kulturelle Unterschiede zu bedenken, und wie ich ihr seinerzeit erklärt hatte, musste sie als Bundesbedienstete etwas mehr Verständnis für Khalils eher traditionelle Erziehung in Bezug auf Geschlechterrollen aufbringen. Hoffentlich konnten wir diese Differenzen aus dem Weg räumen, bevor ich ihn umbrachte.
Dr. Goldberg schien ziemlich froh über die Fortschritte seiner Patientin zu sein. Er versicherte uns, dass Kate in etwa zwei Tagen mit einem Rettungshubschrauber in die Stadt verlegt werden könne, danach müsste sie noch ein paar Tage im Krankenhaus bleiben. Innerhalb eines Monats könne sie wieder zum Dienst antreten. Klang gut, aber ich merkte, dass Kate das zu lang war.
Als Dr. Goldberg gegangen war, schrieb sie mir: Ich will nächste Woche wieder arbeiten.
»Lass uns erst heimkommen«, erwiderte ich. »Ich muss schließlich erst feststellen, inwieweit du geistige Schäden davongetragen hast.«
Sie versuchte mir das Friedenszeichen zu zeigen, war aber so geschwächt, dass sie nur den Mittelfinger heben konnte.
Ich wollte mich so schnell wie möglich in den Wagen schwingen und wieder an die Arbeit gehen, blieb aber noch eine weitere halbe Stunde bei ihr. Sie kritzelte jede Menge Fragen auf den Zettel, bei denen es darum ging, wie der Fall lief, und ich berichtete ihr alles, was ich wusste, den Tod der Familie Haytham ausgenommen. Außerdem unterschlug ich, dass ihr Handy und ihre Knarre fehlten und vermutlich ihrem Angreifer in die Hände gefallen waren. So etwas trifft einen Cop oder FBI-Agenten, und auch wenn es nicht Kates Schuld war, würde es ihr nicht gut bekommen. Genauso wenig wollte ich mich darüber auslassen,
was genau passiert war, nachdem wir aus dem Flugzeug gestiegen waren, aber ich wusste aufgrund ihrer schriftlichen Nachfragen, dass sie eine Art Bestätigung dafür wollte, dass sie alles in ihren Kräften Stehende getan hatte, als sie von Khalil überwältigt wurde. Das war eine Frage des Egos – wie die meisten Opfer eines Übergriffs kam sie sich geschändet vor. Außerdem war sie in ihrer Berufsehre verletzt. Daddy war FBI-Agent, und seine Tochter konnte sich gegen die großen, bösen Fieslinge behaupten und so weiter und so fort.
Deshalb war ich ehrlich und sagte zu ihr: »Er ist größer und stärker als du. Außerdem
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