Der Lord ihres Herzens
zugegeben. Und so sehr ihr Herz auch gegen diese Vorstellung rebellierte, sie schien einen Sinn zu ergeben.
Ihr Schwiegervater musste gewusst haben, dass Constantine Lukes Vater war. Bestimmt war das der Grund, warum er ihr erlaubt hatte, den Jungen zu behalten. Auch wenn der alte Lord ein mitleidiger Mann gewesen war, so war er doch nicht wohltätig genug, ein wildfremdes Kind in seinem Haushalt aufzunehmen.
Ihr Schwiegervater musste Lukes Vater gekannt haben. Und Frederick musste den Vater gekannt haben. Deshalb also hatten die beiden Constantine des Hauses verwiesen und ihn mit seinem Erbe bestraft - nicht nur wegen der Indiskretion mit Miss Flockton.
Aber sie hatten Constantine nichts von Luke erzählt. Deshalb hatte er sich nie um Luke gekümmert. Aber hätte er nicht herausfinden müssen, welche Früchte seine Nähe zu Violet getragen hatte?
Und dann war da noch der Akt selbst. Wie konnte Constantine ein so gemeines Verbrechen begehen und ein Dienstmädchen verführen, das in Sorge um den Arbeitsplatz alles hinnehmen würde?
Janes Herz rebellierte. Ein so herzloses und hinterhältiges Verhalten passte nicht zu dem Constantine, den sie kannte.
Ihr Magen brannte, während ihr Verstand sich in Mutmaßungen erging. Wenn Constantine ihr nur sagen würde, dass alles gelogen war.
Sie würde ihm glauben. Sie würde es versuchen.
An der Tür zur Bibliothek zögerte sie. Sie legte die Fingerspitzen an das jahrhundertealte Eichenholz, als wollte sie Kraft daraus ziehen. Dann straffte sie die Schultern, hob das Kinn und trat ein.
Er stand an der Fenstertür, an der sie sich zum ersten Mal begegnet waren.
Er blickte zum Himmel hinauf. „Es zieht sich schon wieder zu. Offenbar scheint die Sonne hier nie lang am Stück.“
Er sprach völlig kalt und klar, doch um seinen Mund zuckte ein Muskel. Er stellte sich breitbeinig hin, so als wolle er sich auf einen Angriff vorbereiten.
Während er sie aus seinen grünen Augen unverwandt anblickte, wuchs das Schweigen zwischen ihnen. Am liebsten wäre sie zu ihm gelaufen, hätte sich in seine Arme geworfen und ihm leidenschaftlich erklärt, dass sie kein Wort von Trent glauben konnte.
Benutz deinen Verstand, Jane. Keine andere Erklärung ergab einen Sinn. Und Luke hatte manchmal etwas an sich ...
Als Kinder waren wir befreundet, Frederick und ich. Aber ich habe ihn vielleicht sieben oder acht Jahre nicht mehr gesehen.
Sieben Jahre. Lukes sechsdreiviertel Jahre, dazu neun Monate. Ja, Constantine konnte Lukes Vater sein.
Der Kummer in ihrem Herzen war so groß, dass ihr schwindelig wurde. Sie klammerte sich an dem Schreibtisch fest, der zwischen ihnen stand, um Halt zu finden.
Jane schluckte. Sie nahm all ihren Mut zusammen. Dann hob sie das Kinn und sah ihm in die Augen.
„Ist es wahr?“, fragte sie. „Bist du Lukes Vater?“
Sein Blick brannte sich in ihren. Bedächtig erwiderte er: „Was glaubst du denn?“
„Nein!“ Sie rannte um den Schreibtisch herum. „Das reicht mir nicht, Constantine!“
„Ich fürchte, es muss reichen. Ich habe jetzt keine andere Antwort für dich.“
Hieß das, er wusste nicht, ob Luke sein Sohn war? In dem Fall musste er die Sünde begangen haben, derer er angeklagt worden war. Er musste mit einem Dienstmädchen in diesem Haus geschlafen haben.
Jane bekam keine Luft. Tränen schossen ihr in die Augen. Sie war entschlossen, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Gleichzeitig sehnte sie sich danach, von ihm zu hören, dass alles eine bösartige Lüge sei.
Sie biss sich auf die Lippe. „Wenn du es abstreitest, glaube ich dir und wir vergessen, dass das alles hier passiert ist.“
Störrisch reckte er das Kinn. „Ich werde es nicht abstreiten.“ „Ach nein?“ Zorn überkam sie angesichts seiner Halsstarrigkeit. „Dann nehme ich das als Bestätigung.“
„Das wäre die eine Möglichkeit“, sagte er ruhig.
„Wieso lässt dich das alles so kalt?“, rief sie. „Luke ist ohne dich
aufgewachsen. Wegen dir musste er bösartige Hänseleien ertragen. Sie haben ihn einen Bastard genannt, Constantine. Sie wussten es.“ Wussten vielleicht schon alle auf dem Landsitz Bescheid? War sie die Letzte, die diese verblüffende Neuigkeit erfuhr? -
Jane begann, im Raum auf und ab zu gehen. Kränkung, Verwirrung und Zorn stiegen in ihr auf. Wie konnte er sich nur so ekelhaft verhalten? Gerade hatte sie gedacht, sie hätte den Mann fürs Leben gefunden.
War er das wirklich? Hatte Constantine ihr je etwas versprochen? Hatte sie von ihm
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