Der Lord und die Betrügerin
dieses alte Weib, der man erlaubte, obwohl sie von niedriger Geburt war, in der Nähe des Lords zu sein, eher wie eine Ehefrau als eine Dienerin. Aye, zwischen den beiden tat sich irgendetwas.
»Bitte kommt und esst, für uns ist heute ein Tag der Trauer, denn man hat mir gesagt, dass meine Tochter ums Leben gekommen ist. Es war Euer Sohn«, berichtete er und deutete mit dem Kopf auf Nevyll, »der Hildy gesagt hat, was mit ihr passiert ist. Und... nun ja...« Er zuckte ergeben mit den Schultern. »Es gibt noch mehr als nur das. Viel mehr. Kommt und setzt euch. Wir müssen reden.« Er benutzte seinen Stock zum Aufstützen, als er sie die drei Stufen zu dem erhöhten Tisch führte.
»Mit Eurer Tochter meint Ihr Elyn?«, wollte Wynnifrydd wissen, und der alte Mann nickte. Obwohl es beinahe unmöglich schien, sanken seine Schultern noch weiter in sich zusammen. Etwas stimmte hier nicht. Wynnifrydd fühlte eine Kälte, die bis in ihre Seele drang. Sie tat so, als würde sie nicht verstehen. »Aber sie hat doch Kelan von Penbrooke geheiratet?«
»Aye, das habe ich auch geglaubt, aber ich habe mich geirrt«, meinte er und warf seiner Dienerin mit kreidebleichem Gesicht einen harten Blick zu. »Es ist eine lange Geschichte, die selbst ich noch nicht völlig verstanden habe. Die Hochzeit ... sie ist vollzogen worden, aber es scheint so, als habe es dabei einen Betrug gegeben.« Er erzählte das, was er wusste, einschließlich des Ritts des Stalljungen nach Oak Crest und dessen Gefangennahme von Sir Brock. Mit einem erschöpften Seufzer fügte er hinzu: »Wie es scheint, bin ich betrogen worden, und ich war nicht der Einzige.«
Ich auch nicht, dachte Wynnifrydd, aber sie brachte für diesen dummen alten Mann keinerlei Mitgefühl auf. Auch die Hochzeit von Kelan von Penbrooke mit Elyn interessierte sie nicht, bis auf die Tatsache, dass Brock etwas damit zu tun hatte. Zögernd, und nur, um ihrem Vater einen Gefallen zu tun, nahm sie ein wenig von dem Essen, das angeboten wurde. Aber sie verlor immer mehr die Geduld. Wo zum Teufel war Brock? Wen interessierte schon etwas anderes? »Was ist mit Brock?«, platzte sie schließlich heraus. »Er war hier als Euer Gefangener, wieso ist er entkommen?«
Sie nahm an, dass er wie ein Wilder nach Penbrooke geritten war, obwohl er doch wusste, dass seine geliebte Elyn tot war. Er hatte sich bestimmt selbst überzeugen wollen, dass sie nicht doch irgendwie überlebt und selbst jetzt noch heimlieh ihren rechtmäßigen Platz als Penbrookes Frau eingenommen hatte. Wenn alles andere keine Klarheit brachte, so nahm Wynnifrydd an, würde er die Städte und Schlösser entlang dem Fluss nach Elyns Leiche absuchen, in der Hoffnung, dass er sie nicht fand und sie vielleicht doch noch lebte.
Unglücklicherweise verstand Wynnifrydd den Mann, den sie nach wie vor zu heiraten beabsichtigte, viel besser, als er sie verstand. Mit dem Messer, das man ihr gereicht hatte, stocherte sie in dem Stückchen Fasan herum und begann sich einen Plan zurechtzulegen. Sie würde allein viel besser vorankommen, und sie brauchte sich nicht um die Befehle ihres Vaters oder um das Stöhnen von Baron Nevyll wegen irgendwelcher undefinierbarer Qualen zu kümmern. Sie konnte reiten, wohin sie wollte und so schnell, wie es sein musste. Nichts würde sie aufhalten können. Nicht ihr Vater. Nicht die Drohung, dass es Banditen gab. Gar nichts.
Ihre Finger umklammerten das Messer fester. Brock von Oak Crest würde den Tag bereuen, an dem er sie wegen einer anderen Frau verlassen hatte, den Tag, der eigentlich ihr Hochzeitstag hätte sein sollen. Es störte sie nicht, dass man ihn eventuell unter Zwang aus dem Schloss geholt hatte. Er war ein starker Mann, ein großer Kämpfer, also war die Tatsache, dass ein kleiner Stalljunge in der Lage gewesen war, ihn zu überwältigen und ihn aus Oak Crest wegzuschleppen, einfach lächerlich. Er hatte ledigleich so getan, als ob man ihn entführt hätte. Nur um eine gute Entschuldigung zu haben, seiner eigenen Hochzeit zu entgehen. Einfältiger, beschränkter Mann.
Glaubte er wirklich, dass sie ihn so einfach würde ziehen lassen? Dass sie ihn nicht verfolgen und ihm eine deftige Strafe für ihre Erniedrigung auferlegen würde? Sie schnitt noch ein Stück des Fleisches ab und aß langsam, genoss nun die wenigen Bissen und dachte dabei über ihre Rache nach.
Wenn Elyn durch ein Wunder den reißenden Fluss überlebt hatte - oder wenn die ganze Geschichte, dass sie gestorben war, nur Teil
Weitere Kostenlose Bücher