Der Lord und die Betrügerin
literweise Wein trinken, ohne dass es eine Wirkung zeigte.
Lord Llwyds Wein schien eine besonders starke Marke zu sein.
Vorsichtig stiefelte er die Treppe hinauf in den dritten Stock. Aus der Unterhaltung mit seinem neuen Schwiegervater hatte er erfahren, dass dort die privaten Zimmer des Lords und seiner Töchter lagen. Auf einer Seite des Flurs lagen die Zimmer des Barons, und die drei Zimmer gegenüber gehörten seinen Töchtern. Das erste Zimmer war das des einfältigen mageren Dings, das ihn während des Festes ständig so fasziniert angestarrt hatte. Das zweite Zimmer gehörte Kiera, der Schwester, die so krank war, dass sie nicht nach unten kommen konnte, weder zu der Hochzeit noch zu dem Fest danach. Zu dem Fest, zu dem auch die Braut nicht erschienen war. Sie hatte sich versteckt, hatte absichtlich die Gegenwart ihres neuen Ehemannes gemieden und ihn wie einen hirnlosen Idioten aussehen lassen. Wieder brandete heiße Wut durch sein Blut. Entweder waren die Töchter von Llwyd kränklich - oder sie waren stolz und störrisch.
Kelan nahm eher das Letztere an.
Er malmte mit dem Unterkiefer und steuerte die dritte Tür an, überlegte, ob er anklopfen sollte, entschied sich aber dagegen. Verdammt, immerhin war diese Frau seine Ehefrau. Eine Ehefrau, die er gar nicht hatte haben wollen.
Er drückte die Türklinke herunter, erwartete fast, dass sie es gewagt hatte, ihn auszusperren, doch die Tür öffnete sich. Schwaches Licht aus den Kerzenhaltern im Flur fiel in das dunkle Zimmer, das vor seinen Blicken zu verschwimmen schien. Er lehnte eine Schulter gegen den Türrahmen, um sich zu sammeln, und dann entdeckte er sie. Sie saß im Bett, die Decken mit einer Faust umklammert und über ihre Brüste gezogen. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und sie sah so verängstigt aus wie ein Lamm, das geopfert werden sollte.
»Frau«, sagte er mit undeutlicher Stimme. Seine Zunge gehorchte ihm nicht so recht.
»Mann.«
»Es ist ein Trost zu wissen, dass du in der Tat noch lebst«, schalt er sie. Er trat in das Zimmer und schloss die Tür leise hinter sich. Mit einem leichten Klicken fiel sie ins Schloss, und die Frau zuckte zusammen. Ihre grünen Augen waren in dem nur schwach erleuchteten Zimmer riesengroß, sie starrte ihn an, und er las verwirrende Botschaften in ihrem Blick. Sie war verängstigt, ja, aber es lag noch mehr in ihrem Blick - Schuldgefühl? Aber warum? Weil sie ihm bei der Feier keine Gesellschaft geleistet hatte? Weil sie ihn nicht liebte? Weil...
Ihm kam der Gedanke, dass sie vielleicht keine Jungfrau mehr war, dass sie sich fürchtete, weil sie bereits mit einem anderen Mann geschlafen hatte und er das jetzt herausfinden würde.
Das Feuer glühte nur noch, auch die Kerzen waren beinahe heruntergebrannt, Wachs tropfte auf den Tisch. »Du bist nicht zum Essen nach unten gekommen«, sagte er, und seine Stimme klang derber und vorwurfsvoller, als er es beabsichtigt hatte.
»Nein«, antwortete sie und schluckte.
Sie war ein hübsches Ding, das konnte er in dem schwachen Licht feststellen. Zerzaustes rotbraunes Haar, das selbst im matten Licht des Feuers golden aufleuchtete, rahmte ihr zartes, ovales Gesicht mit den fein geschwungenen Augenbrauen, den hohen Wangenknochen und einem elegant geformten Mund. Er hatte sie ja nur flüchtig anschauen können, als er am Altar ihren Schleier gehoben hatte, um sie zu küssen. Doch selbst da hatte er ihr keckes Kinn bemerkt, den Anflug von Intelligenz in ihren grünen Augen und die leichten Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken.
»Du warst krank?« Lieber Gott, warum fiel es ihm nur so schwer zu sprechen? Seine Zunge fühlte sich pelzig an, seine Gedanken waren unklar.
»Ja.«
»Und jetzt?« Er ging mit unsicheren Schritten zum Bett und versuchte, seine Beherrschung nicht zu verlieren. Er fragte sich, was er mit diesem eigenartigen Geschöpf anfangen sollte, mit dem er jetzt verheiratet war.
»Ich, äh, ich fühle mich noch immer...« Sie suchte nach den richtigen Worten, und kleine, ärgerliche Falten bildeten sich auf ihrer Nasenwurzel. Er hatte eine ältliche Jungfer erwartet - da sie mit ihren beinahe neunzehn Jahren schon lange das heiratsfähige Alter erreicht hatte -, doch diese Frau war alles andere als das. Ihre Brüste waren voll und drängten sich gegen den Stoff ihres Hemdes, ihre Beine schienen lang und wohlgeformt. »Es ist nicht wichtig.«
»Für mich schon. Du hast mich aussehen lassen wie einen Idioten.«
»Was?« Ihr Kopf zuckte hoch, und
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