Der Lord und die Betrügerin
wartete in dem schwachen, flackernden Licht der Kerzen.
»Ich meine...« Sie kämpfte gegen den Wunsch an, das Kreuzeszeichen vor ihrer Brust zu schlagen, während er sie so eindringlich betrachtete wie ein Adler. »Ich meine, Elyn ist ganz in Ordnung. Ja. Nenne mich Elyn.« Sie zwang sich zu einem kleinen Lächeln. »Das ist alles so neu für mich.«
Wieder zog er eine Augenbraue hoch.
Nervös leckte sich Kiera über die Lippen, doch dann stellte sie fest, dass sein Blick davon angezogen wurde. Was jetzt? Er schien ein wenig betrunken, doch wirklich nur ein wenig. Bei weitem nicht genug. Und unter seiner Maske der Höflichkeit fühlte sie diesen glühenden Zorn, eine Wut, die er unter Kontrolle zu halten versuchte. »Für mich ist das auch neu«, meinte er schließlich und strich sich das dunkle Haar aus der Stirn. Als würde er gegen Kopfschmerzen ankämpfen, schloss er die Augen. .
Endlich.
Wenn er doch nur jetzt einfach einschlafen würde, damit Elyn zurückkommen und den Platz mit ihr tauschen könnte. Kiera fühlte sich ein wenig erleichtert, sie gähnte, und ihr Körper begann sich ein wenig zu entspannen. In ihrer Nervosität hatte sie viel zu viel Wein getrunken, nachdem sie den ganzen Tag nichts gegessen hatte. In ihrem Kopf drehte es sich leicht, und die goldenen Schatten im Zimmer schienen wärmer geworden zu sein und verlockender. Wenn jetzt nicht dieses Biest auf ihrem Bettrand sitzen würde, würde sie diesen Abend sogar genießen.
»Du darfst mich niemals wieder in Verlegenheit bringen«, erklärte er auf einmal, wobei seine Stimme keinen Widerspruch duldete. Jetzt entdeckte sie die angespannten Muskeln in seinen Mundwinkeln, den glühenden Zorn, den er nicht länger zurückhalten konnte.
»Ich wollte doch nicht...«
»Lügnerin!« Sein Flüstern klang rau. Er riss die Augen auf, dann beugte er sich plötzlich über sie und griff nach ihren Handgelenken. »Etwas stimmt hier nicht«, murmelte er und war ihr so nahe, dass seine Nase beinahe gegen die ihre stieß. In dem schwachen Licht sahen seine Augen fast schwarz aus, so weit waren seine Pupillen.
Die Finger um ihre Handgelenke waren wie Fesseln. Der Arm, den sie in der Nacht vor so langer Zeit verletzt hatte, in der Nacht, in der sie Obsidian verloren hatte, schmerzte und erinnerte sie daran, wie ein anderer Mann sie angegriffen hatte, ein dunkler, gesichtsloser Mann, den man nie erwischt hatte. Sie schluckte die Angst hinunter, während bei der Erinnerung an damals ein Schauer durch ihren Körper rann.
»Was ist los, Frau? Findest du mich so abstoßend?«
»Nein«, antwortete sie, und sie schluckte schwer. Dass sie sich jetzt wieder an diesen Angriff erinnerte, beunruhigte sie.
»Bin ich nicht attraktiv genug?«
»Nein«, flüsterte sie und wollte wieder nach der Decke greifen, doch seine Finger, die noch immer um ihre Handgelenke lagen, machten ihr jede Bewegung unmöglich. Das Feuer knisterte, und aus dem Flur hörte man das Geräusch von Schritten, als die Wache gewechselt wurde.
»Was ist es dann, Elyn? Du benimmst dich wie ein verängstigtes Fohlen.«
Sie sah ihm in die Augen. »Ich war noch nie zuvor mit einem Mann zusammen«, wisperte sie und versuchte, Zeit zu gewinnen.
»Ich habe erwartet, dass du noch Jungfrau bist«, meinte er, aber sie wusste, dass er sich insgeheim fragte, ob das unruhige Verhalten seiner Frau eventuell von der Angst herrührte, dass er feststellen könnte, dass sie unrein war.
Tapfer hob sie das Kinn. »Aber ich weiß, dass du nicht so unschuldig bist, mein Ehemann. Du hast andere Frauen gehabt. Vielleicht sogar Dutzende andere.«
»Was dich erfreuen sollte. Versuche nicht, uns beide auf die gleiche Stufe zu stellen, Elyn. Du bist eine Frau und ich ein Mann. Wir sind halt beide verschieden.«
»Also sollte ich dich nicht beurteilen, aber du hast das Recht, mich zu beurteilen?«
Er antwortete ihr nicht, das brauchte er auch nicht. Er starrte sie einfach nur mit seinen nachtschwarzen Augen an, in ihrer dreisten Unverschämtheit, mit Augen, die in ihre Seele blicken und all ihre Lügen aufspüren konnten. Glühend glitten seine Augen über ihr Gesicht, ihren Körper. Ihr stockte der Atem, und als er näher kam und seine Lippen den ihren ganz nahe waren, hörte sie das Klopfen ihres eigenen Herzens. Wild. Laut. Lüstern. Sie wollte, dass er sie küsste, wollte noch einmal seine Lippen auf den ihren fühlen. Oh, das war Wahnsinn! Mit einem kleinen spöttischen Lächeln, als wüss- te er, was sie dachte,
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