Der Lord und die Betrügerin
wie Lawenydd, nein, sogar dreimal, und geschäftig... Es wimmelt von Menschen, immerhin liegt es ja an der Hauptstraße. Und die Zimmer des Lords...« Er schnalzte mit der Zunge, weil die Unterkunft des Barons offensichtlich so herrlich war. »Es sind fünf Zimmer, die alle miteinander verbunden sind, sie liegen in der obersten Etage über der großen Halle. Wandbehänge und Binsenmatten sind extra dafür hergestellt worden. So etwas habt Ihr sicher noch nie gesehen, das wette ich.« Er hielt inne, als würde er auf eine Antwort warten, während ihre Pferde durch den Lehm stapften.
Kiera fühlte, dass er sie beobachtete, dass er sich über diese eigenartige Frau wunderte, die jetzt Kelans Braut war. Sie schaute weiter geradeaus und hoffte, dass nur ihre Nase, die von der Kälte und dem Regen gerötet war, sichtbar war.
»Und es ist nicht nur die große Halle«, fuhr er fort, als sie ihm nicht antwortete. »Die Kapelle, ah, es ist eine Freude, dort die Messe zu halten. Ein herrlich geschnitzter Altar und goldene Gefäße und... nun ja, Ihr werdet es ja schon bald selbst sehen, denn wir sind bald da...«
Er plapperte wie ein Wasserfall über die Herrlichkeit von Penbrooke. Die Ställe waren größer als alle, die sie je gesehen hatte. Ein Trainingsfeld lag gleich daneben. Die Küchen waren riesig. Dutzende von Arbeitern waren dort beschäftigt. Der Schneider war ein Künstler der höchsten Kategorie. Die Hunde waren schlau und die besten Jagdhunde in ganz Wales. Und die Hengste kamen aus einer ganz besonderen, unglaublichen Zucht, die dafür sorgte, dass sie die schnellsten und stärksten im ganzen Land waren.
Ganz zu schweigen von Kelans Familie. Seine Schwestern waren die wunderschönsten und freundlichsten Frauen in all den umliegenden Baronien, sie besaßen die besten Manieren. Oh, selbstverständlich kannten sie ihren Platz im Leben. Kelans Bruder Tadd war, auch wenn er den hübschen Damen nicht ganz abgeneigt war, ein wilder, tapferer Krieger und ein kluger Stratege. Und dann war da ja auch noch Baron Kelan selbst. Der alte Priester sank sozusagen förmlich auf die Knie allein bei der Erwähnung seines Namens. Ohne Zweifel war Kelan der gerissenste Geschäftsmann, der fairste Richter, der fürsorglichste, verantwortungsbewussteste Baron in ganz Wales und sicher auch in ganz England, wenn man bedachte, wie brutal die Engländer normalerweise waren.
In Kieras Kopf drehte sich alles bei den vielen Lobpreisungen auf Elyns neue Familie. Sie wollte dem alten Mann sagen, er möge sie in Ruhe lassen, doch das traute sie sich denn doch nicht. Also hielt sie lediglich ihren Mund. Je weniger alle wuss- ten, desto wahrscheinlicher war es, dass Elyn, wo immer sie auch war, nach ihrer Rückkehr ihren rechtmäßigen Platz einnehmen konnte. Kiera wusste natürlich, dass mit jedem Tag, der verging, die Möglichkeit, dass ihre Schwester auftauchte, geringer wurde. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sie unbemerkt die Plätze tauschen könnten, war sehr gering - das hatte sie mittlerweile akzeptiert. Sie und Elyn würden erklären müssen, warum Kiera so getan hatte, als sei sie Kelans Braut, und sie würden die Konsequenzen tragen müssen.
Sie stieß einen verbitterten Seufzer aus.
»Was ist los, mein Kind?«, fragte der Priester sofort. »Ihr scheint Sorgen zu haben.«
»Es ist nichts.«
»Ja nun, wenn Ihr nicht mit mir reden könnt, mit wem dann? Ich weiß, es ist schwierig, die Familie zu verlassen. Aye, das ist auch mir schwer gefallen, als ich Priester werden wollte. Ja, und ich weiß, dass eine Ehe... nun ja, das kann eine sehr einschneidende Veränderung im Leben sein. Aber der Baron ist ein guter Mann. Oh, er hatte auch seine Schwierigkeiten in der Vergangenheit, aber diese Zeit der Rebellion liegt schon lange hinter ihm.«
Sie fragte sich, was Kelans »Probleme« wohl gewesen sein konnten, und wunderte sich auch über die »Rebellion«, von der er sprach. Doch sie insistierte nicht weiter, und der Priester wechselte das Thema, als hätte er bereits zu viel gesagt.
»Solltet Ihr auf irgendeine Weise Trost brauchen, M'lady, bitte sucht mich auf, und ich werde mit Euch beten oder für Euch.«
»Danke«, antwortete sie und hoffte, damit diese Unterhaltung beendet zu haben. Das Tageslicht schwand an diesem nassen, trüben Tag rasch. Sie zwinkerte den Regen aus ihren Augen und beobachtete Kelan, der weit vor ihr ritt. Er saß auf einem roten Kriegsross, so gerade wie ein Pfeil. Seine breiten Schultern gereckt, wiegte
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