Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
notorische Abneigung der Wirte, zur Polizei zu gehen, zu unseren Gunsten ausschlagen.«
    »Er wusste nicht, wer Sie sind?«, fragte Pascoe überflüssigerweise.
    »Nein. Ich aß gerade in aller Ruhe ein Sandwich und lauschte mit großem Interesse den Reminiszenzen über Ihre Freunde, die der Major der Presse zum Besten gab. Dann sind Sie so unhöflich dazwischengefahren.«
    »Also war die Figur in der abartigen Aufmachung tatsächlich ein Journalist?«
    »Ja. Soviel ich verstanden habe, kein richtiger Polizeiberichterstatter, sondern einer, der Reportagen schreibt, zufällig vor Ort war und jetzt auf der Suche nach einem interessanten Blickwinkel ist. Deshalb plaudert er im Eagle mit dem Major, statt sich mit den anderen in der Dorfschule zu drängeln, bis die Untersuchung beginnt.«
    »Jetzt schon?« Pascoe war überrascht. Er sah auf die Uhr. Es war erst zwei.
    »Irgendwie scheint sich herumgesprochen zu haben, dass es um halb zwei losgeht, statt um halb drei. Und so konnte ich ungestört schnell was essen«, fügte Backhouse hinzu.
    Aus keinem seiner Sätze war Ironie herauszuhören. Superintendents hatten es nicht nötig, ironisch zu sein, dachte Pascoe verbittert.
    »Was hat Palfrey über Rose und Colin erzählt?«, fragte er unvermittelt. »Es hat da nämlich einmal Krach gegeben. Deshalb sind sie ins Queen Anne gegangen.«
    Backhouse seufzte tief.
    »Wissen Sie, Sergeant«, sagte er, »Sie müssen in diesem traurigen Fall wirklich vergessen, was Sie Ihr ganzes Leben, oder wie lang Sie eben bei der Polizei sind, waren. Stellen Sie keine Ermittlungen an. Vertrauen Sie Ihren Kollegen. Alles andere führt nur zu Schwierigkeiten. Zu guter Letzt – der Himmel möge es verhüten – behindern Sie womöglich noch die Arbeit der Polizei.«
    »Ja«, sagte Pascoe, ohne sich um aufrichtige Reue in seiner Stimme zu bemühen. »Also, was hat Palfrey erzählt? Sir.«
    »Herzlich wenig. Ich glaube, Ihre Freunde waren ihm ein bisschen zu – was wäre hier das treffende Wort? – unkonventionell. Nach seiner Version hatten sie bei ihm Lokalverbot, weil ihre Ausdrucksweise und ihr Benehmen bei vielen seiner alten und hoch geschätzten Stammgäste Anstoß erregte. Es gibt, und jetzt zitiere ich ihn, auch in der heutigen Zeit noch Wörter, die seiner Meinung nach eine Frau nicht zu Ohren bekommen und eine Dame nicht in den Mund nehmen sollte. Ich glaube, ich habe diese feine Unterscheidung richtig hingekriegt. Hat Mrs. Hopkins viel geflucht?«
    »Wenn’s die Umstände erforderten.«
    »Aber sie führte die Umstände nicht herbei?«
    »Nicht zu der Zeit, als ich sie kannte.«
    »Aber das ist, wie Sie mich immer wieder erinnern, schon ein paar Jahre her. Zurück zum Thema. Unter der Einwirkung einiger Gläser Gin wurde Palfrey recht mitteilsam, meinte, es wundere ihn überhaupt nicht, dass ein derartiger Hausstand ein solches Ende genommen hat, und er hatte gerade seinen Angriff auf den Geisteszustand Ihres Freundes gestartet, als Sie ihn unterbrachen.«
    »Ich hätte ihm sein verfluchtes Genick brechen sollen«, sagte Pascoe leidenschaftslos.
    Wieder seufzte Backhouse.
    »Ich habe Ihrem Boss gesagt, dass ich Sie mir vielleicht noch ein wenig ausleihen möchte. Ich habe mich geirrt. Je früher Sie nach Yorkshire zurückfahren, desto besser. Und halten Sie sich vom Eagle and Child fern, solange Sie noch da sind. Das ist eine offizielle Warnung. Haben Sie mich verstanden?«
    »Sir!«, sagte Pascoe. »Und was ist mit Ihnen?«
    »Oh, keine Sorge. Ich werde ihn wiedersehen und ihm ein paar Fragen stellen. Das vorhin war wohl nicht die passende Gelegenheit, was?«
    Er lachte und rülpste leise.
    »Aber sein Bier vom Fass rühre ich nicht mehr an. Seine Leitungen müssen dringend entlüftet werden.«
    Im Lauf dieser Unterhaltung hatten sie den Bürgersaal erreicht. Ein Constable in Uniform hielt Wache an der Tür. Er stand stramm, als der Superintendent an ihm vorbeiging. Auf der Schwelle zögerte Pascoe.
    »Es ist besser, wenn Sie mit reinkommen«, sagte Backhouse. »Dann kann ich ein Auge auf Sie haben. Wir gehen zusammen zur Untersuchung.«
    Im Saal befand sich nun ein Einsatzkommando, jeder Mann an seinem Platz und vor Tüchtigkeit berstend, obwohl Pascoe auf den ersten Blick erkannte, dass sich im Augenblick nicht gerade viel tat. Als Backhouse durch den Raum ging, kam ihm zu Ehren ein bisschen Bewegung in die Truppe, aber insgesamt herrschte eine Atmosphäre gelassener, beinahe verschlafener Routine. Ein paar staubflirrende

Weitere Kostenlose Bücher