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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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merkwürdig, ich weiß, aber das habe ich nicht.«
    »Nun, abgesehen von …«
    »Abgesehen wovon, mein lieber Junge?«
    »Abgesehen von, Sie wissen schon … der Nacht im Klo von Cambridge.«
    »
Wie
bitte? Ach … ach ja, natürlich. Davon natürlich abgesehen.« Trefusis nickte zufrieden. »Nun, falls ich mich nicht noch mehr irre als Gott, liegt unsere Raststätte da gleich um die Ecke. Ah! Da ist sie ja. Benzin und Tee mit Zitrone, finde ich. Der Wagen könnte einen vollen Tank vertragen und wir einen vollen Trank, los geht’s.«
    Als der Wagen von der Autobahn abbog, wunderte sich Adrian wie viele englische Reisende vor ihm über die Gepflegtheit und angenehme Ordnung kontinentaler Raststätten. Eurofarben waren vielleicht etwas zu grell und primär, aber lieber diese strahlende Sauberkeit als die düstere Verwahrlosung britischer Autobahntankstellen. Wie schafften die das bloß, den ganzen Müll wegzuschaffen und den Anstrich so frisch zu erhalten? Alles ordentlich, von den kleinen Hängetöpfen mit Geranien bis hin zu fröhlichen Ziegeldächern, die erhitzten und erschöpften Reisenden Parkplätze im Schatten boten … plötzlich fiel Adrian ein metallischer Schimmer ins Auge. Er gaffte erstaunt.
    Am Ende derselben Reihe, in die Trefusis gerade unbeholfen den Wolseley lenkte, parkte ein grüner BMW mit britischem Nummernschild und einem »GB«-Aufkleber von Hoverspeed.
    »Donald, schauen Sie! Da sind sie!«
    »Das will ich auch hoffen. Ich hatte den Zeitpunkt höchst präzis benannt.«
    »Was?«
    »Und vergessen Sie nicht, mein Bester, daß das Fragepronomen nach dem maskulinen Objekt eines Satzes kein Neutrum sein kann.«
    »Was?«
    »Sie sagten ›was‹. Sie meinten natürlich ›wen‹, nämlich den Zeitpunkt.« Trefusis zog die Handbremse an und öffnete die Tür. »Aber das ist unerträgliche Pedanterie. Wer fragt schon, wenn er etwas nicht verstanden hat, ›wen‹, wenn er seine fünf Sinne beisammen hat? Niemand. Nun? Wollen Sie im Wagen sitzen bleiben oder mitkommen und zuhören, wie ich mein Luxemburgisch entroste?«
     
    Sie trugen ihre Tabletts mit Tee und Brötchen zu einem Tisch am Fenster. Das Paar aus dem BMW saß im Nichtraucherabschnitt am anderen Ende des Speisesaals.
    »Es hat keinen Zweck, sie anzusprechen«, sagte Trefusis. »Aber es ist gut zu wissen, daß sie da sind.«
    »Wer
sind
sie?«
    »Sie heißen Nancy und Simon Hesketh-Harvey; ein alter Freund von mir hat sie freundlicherweise bereitgestellt.«
    »Dann sind sie also auf unserer Seite?«
    Trefusis antwortete nicht. Er tunkte seinen Teebeutel im Glas auf und ab und dachte einen Augenblick nach.
    »Nach dem Krieg«, sagte er schließlich, »hatten Humphrey Biffen, Helen Sorrel-Cameron, ein Mathematiker namens Béla Szabó und ich eine Idee.«
    »Endlich«, sagte Adrian. »Die Wahrheit.«
    »Das müssen Sie beurteilen. Wir hatten alle zusammen an Enigma gearbeitet und uns, jeder auf seine Weise, zunehmend für die Möglichkeiten von Sprache und Maschinen interessiert. Béla wußte sehr gut, daß der Weg zu dem,was man heute Datenverarbeitung nennt, in Großbritannien und Amerika geebnet worden war und daß digitale Rechenmaschinen eines Tages imstande sein würden, linguistisch programmiert zu werden. Turings Arbeit in Bletchley hatte gezeigt, daß das alte Lochkartensystem auf Grundlage des Hollerithschen Verfahrens schnell der Vergangenheit angehören würde. Algorithmische, simpel strukturierte mathematische Sprachen würden von komplexeren, modularen, intelligenten Sprachen abgelöst werden, die schließlich heuristische Maschinen erlauben würden.«
    »Heuristisch?«
    »Fähig, aus Fehlern zu lernen, wie menschliche Wesen durch Ausprobieren zu operieren. Mein Interesse an alldem war weder mathematisch noch besonders soziologisch. Ich hatte keine Angst davor, daß Maschinen klüger werden könnten als Menschen, auch nicht, daß sie irgendwie ›die Macht ergreifen‹ könnten. Hingegen war ich
sehr
interessiert an der Entwicklung neuer Sprachen.«
    »Weil Sie alle bestehenden schon kannten und Angst hatten, sich irgendwann zu langweilen?«
    »Sie übertreiben charmant. Nach dem Krieg kehrte Béla nach Ungarn zurück, Humphrey heiratete Lady Helen, wie Sie ja wissen, und wurde Lehrer. Ich blieb in Cambridge. Aber so oft wie möglich versuchten wir, an unserer Idee einer perfekten, hoch komplexen Sprache weiterzuarbeiten, die sowohl von Maschinen als auch von Menschen gesprochen werden konnte. Sehen Sie, der Traum war, eine

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