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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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durchgeschnitten wurde, diesem Violinisten … wie war noch mal sein Name?«
    »Moltaj.«
    »Genau. Wissen Sie, wer ihn umgebracht hat?«
    »So viele Leute würden liebend gern eine Maschine in die Finger bekommen, die Pseudologien, Verlogenheit und Falschheit verhindert. Die Polizei, Geheimdienste, alle möglichen Agenturen und Institutionen. Béla hat wie jeder gute Wissenschaftler Angst, daß er die Tür zu etwas Wahnsinnigem, etwas ziemlich Grausigem aufgestoßen hat.«
    »Was hab ich bloß getan? Was hab ich bloß getan? Haben wir das Recht, dem Menschen sein Recht auf Lügen zu nehmen? Die Sorte?«
    »Die Frage des freien Willens wird mit Sicherheit auftauchen. Es ist absolut möglich, von der Wiege bis zur Bahre ein Leben zu führen, das völlig unehrlich ist. Man brauchte niemals seine wahre Identität zu offenbaren, die Sehnsüchte und Wünsche des eigenen, innersten Selbst, nicht einmal dem intimsten Kreis der Freunde und Verwandten;niemals wirklich irgend jemandem die Wahrheit zu sagen. Priester und Psychotherapeuten mögen glauben, daß Beichtstuhl oder Analysesitzung Wahrheiten offenbaren, aber Sie wissen, und ich weiß, und jedes menschliche Wesen weiß, daß wir ständig die ganze Welt belügen. Das Lügen gehört so sehr zu uns wie das Tragen von Kleidern. Tatsächlich bestand die erste Handlung des Menschen im Garten Eden darin, allem auf Erden Namen zu geben, unser erster Akt der Inbesitznahme und Falschheit war, einem Stein das Recht zu nehmen, ein Stein zu sein, indem wir ihn mit dem Namen ›Stein‹ einkerkerten. In der Wirklichkeit des Universums gibt es keine Substantive, wie Fenellosa sagte. Die nächste große Tat des Menschen war, sich zu bedecken. Das haben wir seitdem immer so gehalten. Wir spüren, daß unsere wahren Identitäten uns beschämen. Lügen gehört zu unserem innersten Wesen. Es uns zu nehmen macht uns zu etwas weniger, nicht etwa mehr als Menschlichem. Das jedenfalls fürchtet Béla.«
    »Ja«, sagte Adrian. »Sie haben mir noch immer nicht gesagt, wer Moltaj umgebracht hat.«
    »Die Ungarn haben ein wunderbares Wort«, sagte Trefusis. »Es lautet
puszipajtás
und bedeutet ›jemand, den man gut genug kennt, um ihn auf der Straße zu küssen‹. Sie sind ein ausdrucksvolles und herzliches Völkchen, die Ungarn, und begeisterte Gesellschaftsküsser. ›Kennst du den jungen Adrian?‹ könnten sie fragen, und sie würden womöglich antworten: ›Ich kenn ihn, aber wir sind nicht gerade
puszipajtás
.‹«
    »Ich hege im Geiste überhaupt keinen Zweifel«, sagte Adrian, »daß das Ganze auf irgend etwas hinausläuft.«
    »Vor ein paar Wochen kam Bélas Enkel nach England. Er ist Schachspieler mit einer gewissen Reputation, hatletztes Jahr auf der Olympiade in Buenos Aires den Großmeisterstatus erworben. Zweifelsohne haben Sie seine ausgezeichnete Partie gegen Bent Larsen verfolgt?«
    »Nein«, sagte Adrian. »Ich habe seine Partie gegen Bent Larsen verpaßt, und irgendwie sind mir auch seine Partien gegen Homo Karpov und Schwuchtel Smyslov und Pupe Petrossian entgangen.«
    »Pfui und Hacker. Bent ist ein ganz normaler dänischer Vorname, und es würde Ihnen nicht schaden, Master Healey, wenn Sie sich ein wenig mehr Geduld erwürben.«
    »Es tut mir leid, Donald, aber Sie reden
dermaßen
um den heißen Brei herum.«
    »Würden Sie das sagen?« Trefusis klang überrascht.
    »Würde ich.«
    »So will zum Herz des Ganzen flugs ich sputen mich. Stefan, Bélas Enkel, kam vor vierzehn Tagen nach England, um an einem Turnier in Hastings teilzunehmen. Ich erhielt die Botschaft, ihn in einem Cambridger Park zu treffen. Parker’s Piece, um genau zu sein. Das war um zehn Uhr an einem warmen Juniabend. Was kein schmückendes Beiwerk ist, ich erwähne die Abendstunde, um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben, daß es noch
hell
war, verstehen Sie?«
    Adrian nickte.
    »Ich schlenderte zum Treffpunkt. Unter einer Ulme sah ich Stefan, der ängstlich eine Aktenmappe umklammerte. Meine Spezifizierung, daß es sich bei diesem Baum um eine Ulme handelte«, sagte Trefusis, »hat keinerlei Bedeutung und wurde dieser Erklärung lediglich hinzugefügt, um Sie zu verdrießen. Die Erwähnung der Furchtsamkeit des Burschen hingegen ist von Bedeutung. Desgleichen die Existenz der Aktenmappe.«
    »Gut.«
    »Als ich mich näherte, wies er auf einen kleinen Schuppen oder ein hüttenähnliches Gebäude hinter sich und verschwand darin. Ich folgte ihm.«
    »Ah! Nicht verraten … der kleine Schuppen oder das

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