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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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seine Stunden ›Vorlesungen‹. Wie hatte er das bloß ausgehalten? Er hätte niemals nachgeben sollen.
    »Ich halte es für das beste, Schatz. Da bist du so viel unabhängiger als auf einer Schule. Vater findet das auch. Du kannst mit dem Bus nach Gloucester reinfahren und jeden Abend bei mir zu Hause sein. Und wenn du dann erst mal deinen Abschluß hast, kannst du die Aufnahmeprüfung für Cambridge machen. Alle sagen, daß das ein schrecklich gutes College ist. Der junge Fawcett – David heißt der doch? –, der ist da hingegangen, nachdem man ihn … nachdem er Harrow verlassen hat, ich bin also sicher, daß es in Ordnung ist.«
    »Du willst damit sagen, es ist im ganzen Umkreis meilenweit die einzige Schule, die Jungen aufnimmt, die woanders geflogen sind.«
    »Schatz, das hab ich nicht …«
    »Jedenfalls will ich sowieso keinen höheren Abschluß und auch nicht nach Cambridge.«
    »Ade, natürlich willst du das! Überleg doch nur, wie du’s bereuen würdest, wenn du die Gelegenheit verpaßt.«
    Er hatte die Gelegenheit verpaßt und die Vorlesungen. Statt dessen hatte es das ABC-Kino gegeben und das
Star Cafe
, wo er Flipper und Dreikartenpoker gespielt hatte.
    Erörtern Sie Lawrences Einsatz der Landschaftsdarstellung und deren Beziehung zum Seelendrama von
Söhne und Liebhaber.
    Nur verbinden … Wie sind die Schlegels und Wilcoxes in
Howards End
verbunden
?
    Schreiben Sie eine vergleichende Gegenüberstellung des Gebrauchs von Landschaft und Natur in der Lyrik von Seamus Heaney und Ted Hughes.
    Plötzlich war ihm sein gleisnerischer Intellekt nicht mehr von Nutzen. Plötzlich war die Welt stumpf und stickig und gemein. Seine Zukunft lag hinter ihm, und vor sich hatte er nichts als seine Vergangenheit.
    Lebwohl Gloucester, lebwohl Stroud. Wenigstens folgte er einer literarischen Vorlage. Als Laurie Lee an einem Hochsommermorgen fortgegangen war, hatte er nur eine Gitarre und die Segenswünsche seiner Familie bei sich. Adrian hatte ein Taschenbuch von Anouilhs
Antigone
, die er über Mittag hatte lesen wollen zur halbherzigen Vorbereitung auf den Französischessay am Nachmittag, und fünfzehn Pfund aus der Handtasche seiner Mutter.
    Endlich nahm ihn ein LKW-Fahrer mit, der die ganze Strecke bis nach Stanmore fuhr.
    »Ich kann dich irgendwo an der North Circular rauslassen, wenn du willst.«
    »Danke.«
    North Circular … North Circular. Das war eine Art Straße, oder?
    »Äh … liegt die North Circular irgendwo in der Nähe von Highgate?«
    »Du kriegst ziemlich schnell ’n Bus von Golder’s Green.«
    Bullochse wohnte in Highgate. Vielleicht konnte er bei dem für ein paar Nächte unterkommen, während er die Lage peilte.
    »Ich heiße übrigens Jack«, sagte der Fahrer.
    »Äh … Bullock, Hugo Bullock.«
    »Bullock? Der ist aber komisch.«
    »Ich kannte mal ein Mädchen namens Jane Heffer. Wir hätten heiraten sollen.«
    »Ja? Was ist dazwischengekommen?«
    »Nein, ich meine, weil sie Heffer hieß. Die Färse ist doch die weibliche Form vom Ochsen.«
    »Ach so, ja.«
    So fuhren sie schweigend weiter. Adrian bot Jack eine Zigarette an.
    »Nee danke, Kumpel. Ich versuch’s aufzugeben. Bringt’s nicht in der Branche.«
    »Nein, glaube ich.«
    »Ja und, bist du ausgerissen oder was?«
    »Ausgerissen?«
    »Ja. Wie alt bist du?«
    »Achtzehn.«
    »Hör mir auf!«
    »Na ja, bald.«
    Bullocks Mutter stand in der Tür und betrachtete ihn argwöhnisch. Wahrscheinlich waren seine Haare ziemlich lang.
    »William und ich waren befreundet. An der Schule.«
    »Er ist in Australien. Er nimmt sein Urlaubsjahr, bevor er nach Oxford geht.«
    »Ach ja, natürlich. Ich … dachte bloß, wissen Sie. Nichts Wichtiges. War gerade in der Gegend.«
    »Ich sage ihm Bescheid, daß Sie da waren, wenn er anruft. Wohnen Sie in London?«
    »Ja, am Piccadilly.«
    »Piccadilly?«
    Was war denn damit nun wieder falsch?
    »Na ja, in dem Dreh.«
    Die Flipperapparate am Piccadilly waren empfindlicher und tilten schneller als die, die er aus Gloucester kannte, und er bekam nicht viele Zusatzspiele. Wenn er so weitermachte, würde er sich kaum leisten können, länger als eine Stunde zu spielen.
    Ein Mann in einem blauen Anzug trat von hinten an ihn heran und warf ein Fünfzig-Pence-Stück ein.
    »Er gehört Ihnen«, sagte Adrian und schlug frustriert gegen die Flipperknöpfe, als seine letzte Silberkugel aus dem Spiel rollte. »Das war meine letzte. Ich schaff ’s einfach nicht, diesem verdammten Ding auf die Schliche zu

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