Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
merkten sofort, wenn man sie musterte, und schritten kühn vorwärts.
    »Leihen Sie uns zehn Pence für die Maschine, Mister.«
    »Oh, ja. Natürlich. Da hast du.«
    »Besser wär’s noch, Dad, wenn wir woanders hingingen.«
    Es brachte ihn aus der Ruhe, wenn er daran dachte, daß sie genauso alt waren wie Cartwright. Cartwright war jetzt sechzehn, ging auf die siebzehn zu, aber der Cartwright, wie er ihn für immer und ewig behalten würde, war dreizehn und ging auf die vierzehn zu. Die Hühnchen lehnten an der Fleischraufe und preßten ihre in hautenge Jeans gezwängten Hinterteile gegen das Gitter, wo sie doch, wenn sie der Storch in einen anderen Schornstein geworfen hätte, in weißem Flanell gekleidet den Ball für vier Läufer hinter den Mann am Extra cover schlagen oder in holzgetäfelten Klassenzimmern mit dem Ablativus absolutus hätten ringen können. Wenn es eine exakte Methode zum Messen von Glück gegeben hätte, mit Elektroden oder Chemikalien, fragte sich Adrian, hätte sich dann der Schuljunge als glücklicher herausgestellt als der Strichjunge? Adrian selbst fühlte sich freier denn je, allerdings hatte er sich noch nie für repräsentativ gehalten.
    Nach drei Wochen entschloß er sich, das Beste aus seiner gleitenden Arbeitszeit zu machen, fünf Tage bei Lord’s zu verbringen und zuzusehen, wie Thompson und Lillee im zweiten Länderspiel den englischen Schlägern das Herzausrissen. Er kam früh am Grace Gate an und spazierte zur Rückseite, um zu sehen, ob er vielleicht einen Blick auf die Spieler erhaschen konnte, die sich hinter den Netzen warm machten.
    Als er an den Räumen der Ordner und an der Mitgliedertribüne vorbeikam, glaubte er eine ihm bekannte Figur auf sich zukommen zu sehen. Er drehte sich um und begann, in die entgegengesetzte Richtung zu gehen.
    »Adrian! Mein Gott, Adrian!«
    Er beschleunigte seine Schritte, wurde aber aufgehalten von der hereinströmenden Zuschauerflut.
    »Adrian!«
    »Oh, hallo, Onkel David.« Adrian lächelte schwach in das aufgewühlte Gesicht des Bruders seiner Mutter.
    »Wo zur Hölle hast du dich im letzten Monat herumgetrieben?«
    »Ach, weißt du …«
    »Hast du dich schon bei deinen Eltern gemeldet?«
    »Also … ich wollte ihnen schreiben.«
    Onkel David packte ihn am Arm.
    »Du kommst mit mir mit, junger Mann. Deine Mutter ist
krank
vor Sorge.
Krank
. Wie konntest du es nur
wagen
…«
    Adrian machte die düstere Erfahrung, wie es ist, vor allen Leuten ins Büro des
Marylebone Cricket Club
geschleift zu werden wie ein streunender Schuljunge, was er wohl im großen und ganzen auch war.
    »Morgen, David, hast einen Rowdy gefangen, was?« rief jemand, während er die Stufen hochgezerrt wurde.
    »Das hab ich allerdings!«
    Sie stießen auf einen großen blonden Mann im Blazer, der ihnen entgegenkam und sie anlächelte.
    »Morgen, Sir David«, sagte er.
    »Morgen, Tony, viel Glück.«
    »Danke«, sagte der große Mann und ging weiter. Adrian blieb wie angewurzelt stehen, als ihm plötzlich dämmerte, wer das gewesen war.
    »Das war Tony Greig!«
    »Ja, wen hast du denn hier erwartet, du Idiot? Ilie Nastase? Hier lang.«
    Sie hatten ein kleines Büro erreicht, dessen Wände mit Fotos der Helden des goldenen Kricketzeitalters bedeckt waren. Onkel David schloß die Tür und schubste Adrian auf einen Stuhl.
    »Dann mal los. Sag mir, wo du wohnst.«
    »Muswell Hill.«
    »Adresse?«
    »14 Endicott Gardens.«
    »Wem gehört das Haus?«
    »Es ist eine Pension.«
    »Hast du Arbeit?«
    Adrian nickte.
    »Wo?«
    »Ich schaffe im West End.« »Anschaffen« wäre genauer gewesen, aber Onkel David hätte die Wahrheit kaum besonders beeindruckt.
    »Als was?«
    »In einer Theateragentur in der Denmark Street. Ich koche Kaffee, solche Sachen.«
    »Gut. Hier sind Stift und Papier. Ich möchte, daß du mir die Adresse in Muswell Hill und die in der Denmark Street aufschreibst. Danach wirst du deinen Eltern einen Brief schreiben. Ist dir eigentlich klar, was sie deinetwegen durchgemacht haben? Sie sind zur Polizei gegangen, Herrgottnoch mal! Was zum Teufel soll das alles eigentlich, Adrian?«
    Da saß er wieder mal in einem Zimmer, wieder mal auf einem Stuhl, wieder mal einem zornigen Mann gegenüber, und wieder mal wurden ihm unmögliche Fragen gestellt.
    »Warum machst du solche Sachen?« – »Warum kannst du dich nicht konzentrieren?« – »Warum kannst du dich nicht benehmen wie jeder andere?« – »Was ist bloß los mit dir?«
    Adrian wußte, sobald er mit trotziger

Weitere Kostenlose Bücher