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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Lehrer mit einem echten Namen, echten Referenzen und echten Qualifikationen. Keine Fälschungen oder Tricks hatten ihn hergebracht, einzig sein Verdienst. Niemand auf Erden konnte ins Zimmer stürzen und ihn zur Verurteilung schleifen. Er war wirklich ein Lehrer an einer echten Schule, starrte wirklich auf ein echtes Feuer in einem sicheren und behaglichen Gemeinschaftsraum, der so echt war wie das Winterwetter, das in der echten Welt da draußen wirklich wütete. Er hatte genausoviel Recht wie jeder andere Engländer, sich einen Fingerbreit zehn Jahre alten Maltwhiskys einzuschenken und eine besänftigende Pfeife Ready Rubbed zu schmauchen. Der Erwachsene mußtenoch geboren werden, der ihm die Flasche entreißen, die Pfeife konfiszieren oder ihn zu einer gestammelten Entschuldigung nötigen durfte.
    Doch die Funken, die die Esse emporfauchten, buchstabierten Wrigleys und Coke und Toshiba im Neonlicht von Piccadilly; der aus den Scheiten verströmende Rauch zischte ein Treffen von Präfekten, die Strafaktionen schmiedeten.
    Er wußte, er würde niemals wie ein selbstbewußter Erwachsener sein Kleingeld in der Hosentasche klingeln lassen oder seinen Wagen parken können, er war derselbe Adrian, der er immer gewesen war, der einen verstohlenen Blick über die schuldgekrümmte Schulter warf, der in ewiger Furcht vor einem Erwachsenen lebte, der auf ihn zukam, um ihm die Ohren langzuziehen.
    Aber andererseits, wenn er am Whisky nippte, tränten seine Augen nicht mehr, und sein Rachen vergaß zu brennen. Schamlos hieß der Körper willkommen, was er einst zurückgewiesen hatte. Zum Frühstück verlangte er keine Rice Crispies und keine Nutella mehr, sondern Kaffee und ungebutterten Toast. Und wenn der Kaffee gezuckert war, zuckte er davor zurück wie ein Fohlen vom Elektrozaun. Er aß die Kruste und ließ die Füllung liegen, verschlang die Oliven und verschmähte die Kirschen. Doch innerlich blieb er derselbe Adrian, der in sich das Verlangen bekämpft hatte, während der Gottesdienste »Scheiße« zu schreien, der seinem eigenen Furzen nachgeschnuppert und Stunden damit verschwendet hatte, Magazine der
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in der schwachen Hoffnung durchzublättern, ein paar nackte Körper zu erhaschen.
    Seufzend wandte er sich wieder seiner Arbeit zu. Sollte Gott sich doch drum kümmern, was er war und was nicht.Die Szene mit der Teegesellschaft mußte geschrieben werden.
    Er hatte wohl keine zehn Minuten gearbeitet, als es erneut an der Tür klopfte.
    »Sollte das jemand unter dreizehn sein, so gestatte ich ihm, fortzugehen und sich zu ertränken.«
    Die Tür ging auf, und ein heiteres Gesicht erschien.
    »Sieh dich vor, Hähnchen, ich dachte, ich schau mal vorbei und schnorre einen Drink.«
    »Meine Wirtschafterin, Euch kann doch nicht schon wieder die Dröhnung liquida ausgegangen sein.«
    Sie kam näher und sah ihm über die Schulter.
    »Wie läuft’s denn?«
    »Die Agonie des Schöpferischen. Muß jeden zufriedenstellen. Für dich habe ich eine riesige Rolle vorgesehen.«
    Sie massierte ihm den Nacken.
    »Ich kann’s verkraften.«
    »O du stolze, schnaubende Schönheit, wie ich dich liebe.«
    Es war ein privater Scherz, von dem die Jungen irgendwie Wind bekommen hatten. Sie war ein Vollblutfohlen, und er war ihr Trainer. Adrian hatte damit angefangen, nachdem er erfahren hatte, daß ihr Vater von Beruf Rennpferde züchtete. Äußerlich entsprach sie dieser Rolle, hatte eine lange Mähne kastanienbraunen Haars und dunkle Augen, die sie in gespielter Leidenschaft rollte, wenn Adrian ihr das Hinterteil tätschelte.
    Mit sechzehn war sie als stellvertretende Wirtschafterin nach Chartham gekommen und seither dort geblieben. Im Lehrkörper gab es Gerüchte, denen zufolge sie lesbisch war, aber das hielt Adrian für Wunschdenken. Jetzt war sie eine so attraktive Fünfundzwanzigjährige, daß jene Ausflüchte brauchten, sie nicht zu begehren, und daß sie Jeansund Jacken Röcken und Blusen vorzog, erlaubte ihnen die Fluchtroute, sapphische Vorlieben anzunehmen.
    Bei Adrian hatte sie sich eingeklinkt, kaum daß er angekommen war.
    »Sie gibt immer vor, den neuen Lehrern nachzuhecheln«, hatte Maxted gesagt. »Pure Schauspielerei vor den Jungen, um zu verbergen, daß sie eine warme Schwester ist. Sagen Sie ihr, sie soll sich wegscheren.«
    Aber Adrian war gern mit ihr zusammen: Sie war frisch und flott. Ihre Brüste waren fest und formschön, ihre Schenkel stark und schmiegsam, und sie brachte ihm das Fahren bei. Trotz der

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