Der Lüster - Roman
für immer flüchtig, berührte sie mit den Fingern einen Gegenstand, hingebend. Und wenn sie etwas ausdrücken wollte, das undeutlich, dunkel und glatt zu ihr kam, und sich das als gefährlich erweisen mochte, so rührte sie mit einem einzelnen Finger daran, einem blassen, polierten und durchsichtigen Finger – einem Finger, der bebte vor Ausrichtung. Wo das, was sie fühlte, am feinsten und schmerzlichsten war, da dachte sie: Ich werde glücklich sein. Tatsächlich war sie es in ebendiesem Augenblick, und wenn sie, anstatt zu denken: »Ich bin glücklich«, zur Zukunft griff, so lag das daran, dass sie undeutlich eine Bewegung nach vorne wählte, die ihrer Empfindung als Form dienen könnte.
So hatte sie einen Aufmarsch von winzigen Dingen versammelt. Fast unbemerkt weilten sie in ihrem Zimmer. Die Puppen waren dünn und hochgewachsen wie sie selbst. Voller Details, leicht fehlerhaft in den Proportionen, fröhlich, etwas überrascht – manchmal glichen sie einem Hinkenden, der lacht! Noch ihre sanftesten Figuren waren von der wachsamen Unbeweglichkeit eines Heiligen. Und wie Heilige schienen sie sich demjenigen zuzuneigen, der sie ansah. Virgínia konnte sie einen ganzen Morgen lang betrachten, ohne dass ihre Liebe und Überraschung abgenommen hätten.
»Schön … so schön wie etwas Kleines und Nasses!«, sagte sie, wenn sie in lieblichem Drang zu weit ging.
Sie beobachtete: Selbst wenn die Puppen sauber gearbeitet waren, wirkten sie klobig, so als könnte man noch weiter an ihnen feilen. Aber sie folgte vage dem Gedanken, weder sie selbst noch sonst jemand könne versuchen, die Figuren zu vervollkommnen, ohne ihren Ursprung zu zerstören. Es war, als könnten sie sich allenfalls selbst vollkommener machen, wenn das denn möglich wäre.
Und die Schwierigkeiten kamen hoch, wie ein Leben weiter wächst. Ihre Puppen waren aufgrund der hellen Tonerde blass. Wollte sie ihnen einen Schatten geben, so ging das nicht über den Farbton; aufgrund dieser Unzulänglichkeit lernte sie jedoch, sie über die bloße Form in Schatten zu tauchen. Als Nächstes dachte sie sich eine Freiheit aus: Mit einem kleinen trockenen Blatt unter einer feinen Tonschicht gelang ihr eine vage Färbung, traurig und erschrocken, fast gänzlich tot. Indem sie den Lehm mit Erde mischte, erhielt sie eine zweite Art Material, das weniger formbar war, dafür strenger und feierlicher. Aber wie den Himmel formen? Das konnte sie nicht einmal ansatzweise. Sie wollte keine Wolken – die hätte sie wenigstens annähernd darstellen können –, sondern den Himmel, den Himmel selbst mit seinem Nicht-Dasein, Farbe ohne Bindung, Abwesenheit von Farbe. Sie entdeckte, dass sie leichtere Materialien verwenden musste, die nicht einmal berührt oder gefühlt werden könnten, vielleicht kaum gesehen, wer weiß. Und da begriff sie, dass dies durch Glasuren zu erreichen war.
Und manchmal, wie in einem Sturz, wie wenn sich alles läutern würde – begnügte sie sich damit, eine glatte, gelassene, einheitliche Oberfläche zu formen, in feiner, ruhiger Schlichtheit.
Gerne beschaffte sie sich auch Steine, Steine und Steine und warf sie dann einen nach dem anderen weit, weit weg, wie einen Schrei ohne Echo. Und manchmal verharrte sie einfach mit gesenktem Kopf, die Augen halb geschlossen, bis der Boden zitterig und wirr auf ihr Gesicht zukam und sich dann träge entfernte, kaum zu unterscheiden von der Hitze. Am Sommerhimmel raschelte eiliger Flügelschlag. Sie überlegte, ob es sich lohnen würde, den Kopf zu heben und zu schauen. Aber wenn sie sich schließlich dazu entschloss, schwebte der Himmel bereits sauber und blau dahin, ohne den Vogel, ohne Ausdruck, kaum geöffnete Augen. Sie drehte den Kopf in langsamer Suche. Schläfrig hielten sich einige trockene Äste reglos gegen den Raum, zerfaserte Klänge trieben in der Luft wie Wolken. In einem gedämpften Erwachen spürte sie, dass es in diesem Moment noch sehr viel mehr Dinge gab als diejenigen, die sie sah. Da nahm sie eine feste, zartsinnige Haltung an, entschlossen, all dies in ihre Mitte zu saugen nach einer kleinen Pause. Nichts kam, sie beobachtete die Dinge, denen das Licht einen goldenen Schimmer verlieh – ohne Gedanken wurde sie nach und nach satt, so satt wie das immer höhere, hastigere Geräusch von Wasser, das ein Gefäß füllt. Sie richtete sich auf und lief, lief, bis sie an einer Gruppe von Schülern vorbeikam, aus der ein sanfter Kinderduft aufstieg, vermischt mit dem Geruch nach
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