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Der Lüster - Roman

Der Lüster - Roman

Titel: Der Lüster - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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frischem Lack und Butterbrot. Das eine oder andere Mädchen weinte plötzlich und gab der Luft damit ein sonderbares Glücksgefühl, die Stimme der Lehrerin stieg, fiel dann wieder ab, und dann kehrte zahm das Gemurmel zurück, duftend. In der Nähe lagen die neuen, geschmacksfreien Häuser unter der Sonne, gaben die glänzenden und armseligen Gärten den Blicken preis. Eine Frau rief etwas ins Haus hinein, im Befehlston. Da war die alte, kleinwüchsige Cecília, die ihnen einmal mit geweiteten Augen gesagt hatte, während sie sich die Hand vor den Mund hielten, um nicht lachen zu müssen: Eines gewaltsamen Todes, Kinder, passt auf, ihr werdet eines gewaltsamen Todes sterben, und dabei hatte sie auf ihre schmutzigen, leeren Handflächen gestarrt. Cecília also schrie mit einer Stimme, die immer einen Tick höher dahinschwebte als ihre Statur – und sie stellte sich auf die Zehenspitzen, wie um das auszugleichen:
    »Wie geht es der Mutter … ?« …
    Virgínia straffte sich, in dem Augenblick inspiriert und frei, und warf ihr die Antwort hin, die Stimme freudig wie ein an der Wäscheleine flatterndes Kleidungsstück:
    »Gut … danke …!«
    Die alte Cecília wedelte mit dem mageren Arm, nickte zum Zeichen, dass sie gehört hatte, gehört, ein Luftstoß übertönte alles, trug die leisen Geräusche aus der Umgebung weit fort, schlich sich zwischen das Laub in den Bäumen, ließ einen innehalten und lächeln, wenn man spürte, wie die Röcke wehten und das Haar, kühl. Ja, der Eindruck, dass da etwas weiter voranschritt. Sie setzte ihren Weg fort, bis sie die Häuser und die Schule hinter sich gelassen hatte. Wieder drang sie ins offene Feld ein. Durch den langen Marsch waren die Hüften, die Beine, die Arme neugeboren und verlangten in ihrer Leichtigkeit nach Bewegung. Sie lief weiter, und durch die zusammengekniffenen Augen verwischte das Grün zu einem einzigen glänzenden und beweglichen Fleck, um den Wasserfunken sprühten. Bis sie erschöpft und keuchend stehen blieb, das Lachen zurückhaltend aus irgendeinem Grund. Sie sah sich um, und da waren die schütteren Gräser und versteckten die Nacktheit des Bodens, den Hügel mit seinem jungen Rasen, und neben ihr bog ein schimmernder Käfer an einem Busch einen Zweig – da formte sie, als fehlte alldem noch etwas und sie könnte es vervollständigen, die Hände zu einer Muschel, legte sie an den Mund, schloss die Augen und rief, das Herz wie wild klopfend, aus vollem Hals bis hinter die Berge hinaus:
    »Ich! … Daniel! … Welt! … Ich! …«
    Der erste Schrei war schwierig wie ein erstes Wagnis und zerriss die Luft in alle Richtungen. Sie wartete pochend, das Herz rasend, erschrocken. Dann aber war es das Feld selbst, das schrie: Ich! … Dinge! … Daniel! … Sie brach ab. Was? irgendein schneller Gedanke, ein Glanz, der flieht. Sie wollte etwas sagen, und obwohl sie nicht wusste, was, sagte sie nur deshalb nichts, weil es ihr an Mut fehlte. Mit einer tauben Gewalt murmelte sie: Arrh, arrh. Sie vergaß das Bedürfnis zu schreien und ließ sich auf einem Stein nieder, der noch glühend heiß war, auf etwas in ihrem Inneren wartend. Nach und nach legte sie den Kopf zurück, die Lider gesenkt und bebend in einem Lächeln, einem Erschauern, als würde sie jemand berühren. Ihr Gesicht hellte sich auf, erblühte zu einem halben Lachen, das fast bezaubert war, auf der Haut treibend, fast abstoßend, intim. Sie überließ sich einem stillen, gezähmt aufgeregten Fest; die Verwirrung ließ ihre Augen feucht und zögerlich werden wie die einer Frau. »Ah, das ist also passiert? Ja, das wusste ich nicht … Ah, ah, ah … Wie man so sagt, das ist ja komisch …«, probte sie mit kleiner, affektierter Stimme. So schwebte sie, bis ihr Herz, da nichts geschah, allmählich abkühlte, und da erwachte sie enttäuscht und trocken, öffnete die Augen, verletzte sie an der Heftigkeit des Lichts. Sie schaute einen Moment lang vor sich hin, die Lippen offen, ernsthaft. Ganz allmählich, tief gekränkt, richtete sie den Kopf gerade, und das Gesicht sammelte sich in Schatten.
    Im Winter wandte sich das Leben sich selbst zu, verständnisvoll und innig. Der Geruch wurde zahmer, Schlamm befriedete die Felder. Die Stimme klang in stillen Stunden heiser und lau. Die Luft war feucht, die Dinge im Zimmer standen vereinzelt durch die Kälte, und allein die Dunkelheit fügte die Möbel zusammen. Draußen fiel der Regen ohne Kraft, ohne Unterlass. Das heruntergezogene Fenster

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