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Der Lüster - Roman

Der Lüster - Roman

Titel: Der Lüster - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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aus der man eine ganze Welt hätte modellieren können. Wie, wie das Wunder erklären? … Sie bekam Angst, wurde nachdenklich. Sie sagte nichts, regte sich nicht, doch innerlich wiederholte sie ohne ein Wort: Ich bin nichts, ich habe keinen Stolz, alles kann mir geschehen, wenn – – – will, wird er mich daran hindern, den Lehm zu kneten, – – –, wenn er das will, kann mir alles zertrampeln, alles kaputtmachen, ich weiß, dass ich nichts bin. – – – war weniger als eine Vision, es war ein Gefühl im Körper, ein erschrockener Gedanke über das, was ihr erlaubte, aus Lehm und Wasser so viel zu schaffen, und vor wem sie sich ernsthaft erniedrigen musste. Sie dankte ihm mit einer Freude, die schwierig war, zerbrechlich und angespannt, sie spürte in – – – etwas wie das, was man mit geschlossenen Augen nicht sieht – aber was man mit geschlossenen Augen nicht sieht, hat ein Dasein und eine Kraft, wie das Dunkel, wie das Dunkel, wie Abwesenheit, verstand sie sich mit einem zustimmenden Nicken, wild und stumm. Doch sie wusste nichts von sich selbst, sie hätte unschuldig und zerstreut durch ihre Wirklichkeit gehen können, ohne sie wiederzuerkennen, wie ein Kind, wie ein Mensch.
    Hatte sie den Lehm beisammen, war sie erst mal erschöpft, und dabei konnte ihr durchaus der Wunsch abhandenkommen, Puppen zu formen. Dann lebte sie weiter vor sich hin wie ein kleines Mädchen.
    Eines Tages jedoch spürte sie ihren Körper offen und fein und auf dem Grund eine Gelassenheit, die sich nicht im Zaum halten ließ, bald kannte sie sich nicht, bald atmete sie in Freude, die Dinge unvollständig. Sie selbst schlaflos wie Licht – aufgerissen, flüchtig, leer, aber auf dem Grund eine Glut, der Wunsch, sich zu einer einzigen Sache hin zu leiten, eine Anteilnahme, von der ihr Herz sich beschleunigte ohne Takt … auf einmal war es so vage zu leben. Das alles konnte auch vorübergehen, die Nacht unvermittelt hereinbrechen, die Dunkelheit über den lauen Tag. Aber manchmal erinnerte sie sich an den nassen Lehm, lief erschrocken in den Hof – tauchte die Finger in diese Mischung, kalt, stumm und ausdauernd wie ein Warten, sie knetete, knetete, gewann daraus nach und nach Formen. Sie machte Kinder, Pferde, eine Mutter mit einem Kind, eine Mutter alleine, ein Mädchen, das Dinge aus Lehm formte, einen Jungen, der sich ausruhte, ein Mädchen, das froh war, ein Mädchen, das nachsah, ob es regnen würde, eine Blume, einen Kometen, den Schweif besprenkelt mit gewaschenem, blitzendem Sand, eine welke Blume mit Sonne darüber, den Friedhof von Brejo Alto, eine junge Frau, die schaute … Noch vieles, vieles mehr. Kleine Formen, die nichts bedeuteten, aber in Wirklichkeit geheimnisvoll und ruhig waren. Manchmal hoch wie ein hoher Baum, aber das waren keine Bäume, sie waren nichts … Manchmal wie ein Bach, der dahinfloss, aber sie waren kein Bach, sie waren nichts … Manchmal ein kleiner Gegenstand, der Form nach fast ein Stern, aber müde wie ein Mensch. Eine Arbeit, die nie beendet sein würde, und das war das Schönste und Sorgfältigste, was sie je erfahren hatte: wenn sie doch formen konnte, was es gab und was es nicht gab!
    Sobald die Puppen fertig waren, kamen sie in die Sonne. Niemand hatte ihr das gezeigt, aber sie stellte sie auf die Sonnenflecken am Boden, Flecken ohne Wind und ohne Glut. Der Ton trocknete widerstandslos, behielt dabei die helle Farbe, bekam keine Falten, keine Risse. Sogar in trockenem Zustand wirkte er zart, vergänglich und feucht. Und sie selbst konnte ihn mit dem zähen Lehm verwechseln. Die kleinen Figuren wirkten in diesem Zustand schnell, fast so, als würden sie sich gleich in Bewegung setzen. Sie besah sich eine der reglosen Puppen. Aus Liebe oder einfach in Fortführung der Arbeit schloss sie die Augen und konzentrierte sich mit einer lebendigen, lichten Kraft, in der Gefahr und Hoffnung lagen, mit einer Kraft aus Seide, die ihr geschwind durch den Körper lief, und ihr Schwung galt der Figur. Wenn sie sich schließlich gehen ließ, rührte ihr frisches und müdes Wohlbefinden daher, dass sie etwas wegschicken konnte, sie hätte allerdings nicht zu sagen gewusst, was. – – – vielleicht. Ja, manchmal besaß sie ein Wohlgefühl im Körper, ein Wohlgefühl, hoch und beklemmend, das zwischen Kraft und Ermüdung schwankte – es war ein Gedanke wie Klänge, die gehört wurden, eine Farbe im Herzen. Bevor er mit weicher Schnelligkeit in ihrer inneren Luft zerfiel,

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