Der Lüster - Roman
dem Licht, eine Blumenvase fing an – selbst diejenigen, die sitzen blieben, bewegten sich in ihre Richtung. Schwierig wurde sie durch das, was kristallen war an ihrem Körper: ihre Augen, ihr Speichel, ihr Haar, ihre Zähne und trockenen Fingernägel, die glitzerten und trennten. Maria Clara trank, die Lippen fleischrot und undurchsichtig, kühlen Glanz auf der Haut, der Hals aus Seide; sie grüßte mit einem halben Lächeln, die Pupillen geöffnet ohne Angst. In den Pupillen Vicentes mischte sich stets heiteres Schwarz mit einer gewissen Eile – nichts Wesentliches war erreicht durch ihre Liebe … – das war der Eindruck. Allerdings lachte er hinter der Brille wie ein großgewordener Student. Maria Claras rosafarbenes Moirékleid erinnerte sie an einen reglosen Fluss und reglose Blätter auf einer Gravur. Wenn sie das Bein bewegte, wenn ihre Brüste atmeten, regte sich der Fluss, wogten die Blätter. Wie sauber sie war, wie geleckt. Nur dass sie im Gegensatz zu den anderen Frauen vergaß, dass sie Parfüm aufgetragen und sich gekämmt hatte, und nun spielte wie ein Kind, ohne Bedenken, sich schmutzig zu machen. Ihre Intimität war reich und unüberwindlich, ein Leben im Geheimen, voller Einzelheiten, während Virgínia fast öffentlich hätte leben können, unter einem Baum. Bei Virgínia konnte man nie Gefahr laufen, in übermäßige Vertraulichkeit zu fallen und auf lächerliche Weise das Erlaubte zu überschreiten – selbst wenn ihre Intimität verletzt wurde, war es nicht, als hätte sie jemand besessen, vergeblich wäre gewesen, ihren Duft aufzusaugen, ihre frische Unterwäsche zu sehen oder ihr beim Baden zuzuschauen; nur sie allein benutzte ihre Umgebung. Arme Esmeralda, die Batisthosen bestickte, Düfte in ihrem Zimmer verbrannte, der Körper bitter geworden wie eine Zitrone – ihre Weiblichkeit war fast abstoßend für eine andere Frau. Während Maria Clara, hätte sie auch die feuchtesten Gedanken, ihre rätselhafte und trockene Eigenart bewahrte, klar wie eine Zahl. Es war schrecklich, sie so sympathisch zu finden. Attraktiv, wechselhaft, schwach, intelligent, verständnisvoll, ungeschliffen, selbstsüchtig, es war nutzlos, so zu tun, als wäre sie nicht schön, sie drang ins Herz wie ein sanftes Messer. Die schlanken, selbstsicheren Frauen unterhielten sich – sie wirkten einfach für Männer und schwierig für Frauen; und warum hatten sie keine Kinder? mein Gott, das war wirklich befremdlich. Und wenn sie doch welche hatten, gingen sie mit ihnen um wie mit Freunden, ja, Freunden. Ihr fiel wieder ein, dass sie einmal Irene vor einem Filmtheater gesehen hatte, mit ihrem Sohn, ja, ja, jetzt wusste sie es wieder. Er war ein rotblonder, schlanker Junge, einer von denen, die sich über nichts wunderten und die, während sie heranwuchsen, fröhlich und unglücklich sein würden. Na, du bist auch nicht unsympathisch, meine Gute. Sie war überrascht von dem herzlichen Ton und so berührt in ihrer Einsamkeit, dass sie fast geweint hätte. Aber sie achtete mit verängstigter Sicherheit darauf, bestimmte Grenzen sich selbst gegenüber niemals zu überschreiten: Was da an Unerforschtem war, hätte sie vielleicht dazu gebracht, für immer den Verstand zu verlieren. Maria Clara hatte Platz genommen, trank und rauchte jetzt in ihrem reglosen Kleid; es war von einem glühenden Rosa, das sich in der eigenen Farbe verzehrte; in einem bestimmten Licht aber erlosch es und schien dann tot, lang, fast kalt in seinen ruhigen, liegenden Tönen – unterdessen harrte Virgínia in ihrem weißen Kleid mit den kleinen Knöpfen aus, und der Sohn der Gastgeber machte vor dem Schlafengehen seine Aufwartung, Irene glänzend in schwarzer Seide, der Junge mit dem aufmerksamen Gesicht eines sauber frisierten Hammels; sie zog ihn an der Hand herein, wie durch Zufall im kleinen, gestreiften Seidenpyjama, das rotblonde Haar in einem hohen Schopf über dem schmalen, blassen Gesicht, das schwach lächelte.
»Ernesto, Ernesto, komm mal her«, sagte die Stimme des Zeitungsverlegers.
Das Kind trat näher, der Mann, der im Sessel saß, rückte vor bis zum Rand, legte eine Hand um die schmale Taille des Jungen, der sein Lächeln beibehielt. Die breite, behaarte Hand des Mannes drückte seidige Falten auf Ernestos vorgebeugten Körper, in dem grünen Salon saßen alle und taten nichts, lächelten, schauten. Man wollte etwas Lustiges sagen, brachte aber nichts zustande, man saß da und wartete.
»Ernesto«, sagte der
Weitere Kostenlose Bücher