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Der Lüster - Roman

Der Lüster - Roman

Titel: Der Lüster - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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alle drei getrennt voneinander und schimmernd wie Diamanten, auch diese getrennt voneinander und schimmernd – nur dass die drei Noten flüssig waren und Diamanten niemals fürchteten, auseinanderzubrechen in einem einzigen Wirrwarr; sie trieb weiter, zerflossen in einem großen, weiten Meer, und durchquerte es, erfüllt von einer Ruhe aus Zufriedenheit, dem Gefühl in dem tiefen Wagen, der Hoffnung, aus Erinnerungen, die sich verstreuten – mit einem Lidschlag wechselte sie die Ebene ihres inneren Seins. Ein kleines Kind in einem langen Nachthemd, sehr langsam, erhob sich auf dem Grund ihres Sehens wie ein Ziel, doch kaum versuchte sie, es schärfer ins Auge zu fassen, verschwand alles in ihrem eigenen Meer – sie durchlebte immer kurze Visionen, und wenn sie die Augen über den bereits geschlossenen Augen schloss, so sah sie im Dunkeln Formen, gemacht aus dem Dunkel selbst. Jede kleine Welle ging in die nächste über wie eine Botschaft: vicente, und mit jedem vicente war alles viel wirklicher, und es wäre nutzlos gewesen, das zu leugnen. Eine Sekunde lang spürte sie, dass sie auf dem weißen Bett lag, allzu schnell, denn nicht sie war es, die das spürte, sondern nur ein Stück ihres Arms, der unter dem Kissen feststeckte – und mit jedem vicente versank sie mehr und mehr in der eigenen Natur. Und auch mehr, mehr, fast so, dass auf der anderen Seite etwas Grünes, Finsteres sichtbar wurde, das leuchtete wie eine Laterne, die ihrerseits eine unbewegliche Erinnerung war an eine festliche Laterne in Brejo Alto, ach Brejo Alto. Ein letztes vicente wie ein Seufzen vor dem Tod, und der Schlaf schloss sich zu einem einzigen unglücklichen Felsbrocken, Virgínia klammerte sich an sich selbst wie ein schwarzer Fleck. Nichts konnte sie noch sehen durch den Schlaf, und ob sie geträumt hatte, sollte sie nie erfahren.

IN SOLCHEN MOMENTEN litt sie zwar, aber sie liebte ihr Leiden. Sie ging durch den Tag, die Notwendigkeit, ihre kleinen Aufgaben zu erledigen, das Aufräumen der Zimmer, das Warten, die Wirklichkeit und die Straßen – halb ernst, halb angespannt, erforschte sie sich und den Raum, als wäre sie schon über die Entfernung hinweg auf geheimnisvolle Weise mit Vicente verbunden. Denn kaum war sie wach, wusste sie, sie würde ihn heute sehen. Vielleicht nicht ganz so plötzlich – sie verschaffte sich die kleine Überraschung, weil es sie glücklich machte, selbst wenn das bedeutete, ihr Bewusstsein abzuschirmen und darin eingeschlossen die dunkle, anspornende Lüge. Die ersten Stunden verbrannten schwierig und langsam, aber gegen zehn Uhr an einem wolkenlosen Morgen stürzte die Zeit heiter und flüchtig dahin, hell wie der Tag, und sie beobachtete lächelnd, wie sie sich von da an mühelos und zahm bewegte. Mittags nahm sie fast nichts zu sich, es war mühselig, für sich allein zu kochen, und heute Abend würde sie ohnehin mit Vicente gut essen – sie aß ein Stück Obst, der fernen Mutter zuliebe. Und so schickte sie sich an, täglich-zu-leben, bereit, sich in etwas zu verwandeln, das sie nicht war, um mit den Dingen ringsum zurechtzukommen. Wenn Vicente einen formlosen und rauen Tag hatte, würde sie wartend verharren, die Hände zartfühlend, und sich in keiner Richtung äußern, damit er allein sich ändern könnte, frei von ihrem Dasein. Wenn er schweigsam und nervös blieb, versuchte sie, Raum zu lassen, und obwohl ihr das nicht ganz gelang – weder ihre Augen, die etwas Abwesendes hatten, noch ihr Körper mit seinen kleinen Gesten eigneten sich recht für diese Haltung –, spürte Vicente ihre Bemühungen, ihn zu besänftigen; und das war oft schon genug, damit er lächelte und in eine wohlwollende, bessere Stimmung kam.
    Nach dem Mittagessen räumte sie ein wenig auf, denn zurückkommen würde sie erst spät. Es hatte sie Mühe gekostet, sich an die neue, leere Wohnung zu gewöhnen, nachdem Daniel geheiratet hatte und nach Granja Quieta gezogen war und sie dann hatte umziehen müssen. Sie ertrug eine schnelle Dusche, wogegen sie seit jeher einen gewissen Widerwillen empfand; sich zu entkleiden, sich dem blinden, allzu fröhlichen Wasserstrahl auszusetzen, dieses Aufstören der Stille. Die Kälte und das sofortige Abrubbeln mit dem Handtuch, das nie ganz trocken war vom Tag zuvor, in dem schmuddeligen Badezimmer, wo sich alles stapelte, was man in dem kleinen Wohnraum nicht zeigen konnte – je länger sie lebte, desto mehr unnütze Dinge häufte sie an, von denen sie sich dann nicht

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