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Der Lüster - Roman

Der Lüster - Roman

Titel: Der Lüster - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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ist … es ist … es ist … einundzwanzig Uhr! Also … das heißt … drei Minuten vor!«, sagte er und lachte, ohne dass ihr klar geworden wäre, warum.
    »Möchten Sie das Abendessen jetzt?«
    Er wirkte auf einmal verängstigt, zog den Hals ein in verzweifelter Unwissenheit.
    »Ich weiß nicht, weiß nicht … Ganz wie Sie wünschen …«
    Sie sahen sich noch einen Moment lang an. Dann ging sie in die Küche, um die Steaks zuzubereiten. Von Zeit zu Zeit hielt sie inne und setzte zu einer Bewegung in Richtung Wohnzimmer an – nichts war zu hören. Feine Schweißperlen waren wieder auf ihre Oberlippe getreten, der Körper war wie angeschwollen, das Unwohlsein des Kleids, das am Körper alterte. Ein wenig unruhig briet sie zwei Eier, machte die Kroketten warm, den Reis – lauschte Richtung Wohnzimmer, Stille – brachte das Tablett zum Tisch. Sie hatte sich für diesen Augenblick etwas Geistreiches ausgedacht, aber was sie sagen wollte, glitt bleich von ihr weg, als sie ihn in derselben Haltung sitzen sah, mit verschränkten Fingern. Doch da fiel Miguels Blick auf die dampfenden Teller, und die trockenen Lippen öffneten sich einen Spalt weit zu einem schwachen Lächeln, aus dem Hoffnung und Mutlosigkeit sprachen. Sie gab sich einen kleinen Ruck und sagte aufgeräumt und wach:
    »Zu Tisch, zu Tisch!«
    Miguel nahm Platz, zupfte mit einem eiligen Seufzen die Hosenbeine zurecht und sah sich überall um, bis unter den Tisch.
    »Was ist denn?«, fragte Virgínia, unterbrach sich aufgerüttelt.
    »Eine Serviette …«
    »Ah, die habe ich vergessen!« Schamröte erhitzte ihr Gesicht und Hals. Er sagte schüchtern:
    »Wir brauchen ja auch keine … Ich habe nur gefragt, weil, also, Sie wissen ja, bei so einem besonders feinen Abendessen deckt man immer eine auf, nicht wahr?«
    Ach ja, ja! Sie rannte fast in die Küche, holte die Weinflasche aus dem Kühlschrank, wog sie in ihren untätigen Händen, fühlte sich durch die Kälte wiederbelebt, presste sie schnell an die heißen Lippen. Aber er stand in der Tür zur Küche und sagte mit etwas unvermittelt Männlichem in der Haltung:
    »Aber nicht doch! Ich lasse nicht zu, dass Sie …«
    Sie starrte ihn erschrocken an … Er wich überrascht zurück, blickte auf die Weinflasche in ihrer Hand.
    »Ach so«, sagte er, »ich dachte, Sie gehen eine Serviette suchen … Die braucht es doch wirklich nicht, irgendein Tuch genügt …«
    Einen Augenblick lang standen sie reglos da und musterten einander.
    »Das Essen wird kalt«, sagte er schließlich, als wiese er die Schuld von sich, »das Essen wird kalt.«
    Sie lachte:
    »Ja, wirklich! Wollen wir dann? … Und Sie könnten diese Flasche aufmachen, da haben Sie auch mal was zu tun«, fügte sie in schmeichelndem Ton hinzu.
    »Also, da haben Sie sich ja ganz schön in Unkosten gestürzt.«
    »Na, das ist doch nicht so wichtig.«
    »Das sagen Sie etwas Wahres. Geld ist schließlich zum Ausgeben da.« Sie verstummten. Aber warum nahm er ihr nicht endlich die Weinflasche ab, von der ihr die Hände ganz kalt wurden?
    »Lassen Sie uns doch die Unkosten teilen … also, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Nein, danke.«
    »Ist gut, ist gut, mein Motto lautet: nur nicht zu hartnäckig.«
    Schweigend begannen sie zu essen; es schmeckte, auch wenn die Steaks zum Teil etwas sehnig waren; der Wein war warm und weich, und er trank die Flasche fast aus – beim Nachtisch glänzten seine Augen feucht und leidend. Sie blieb still, servierte mit Leidenschaft und konzentrierter Ruhe; nichts schien sie aufhalten zu können. Schließlich kochte sie Kaffee, und als sie den getrunken hatten, trafen sich ihre Augen noch einmal voller Schalk: Was für ein Kaffee!, rief er, und sie lächelte aus tiefstem Herzen. Am Ende sagte er, den Blick auf den Boden geheftet, während er sich eine Zigarre ansteckte:
    »Das Abendessen war ausgezeichnet.«
    Sie sah ihn fragend an, unruhig. Er hob rasch den Blick und sah ihr in die Augen, senkte ihn dann wieder, doch plötzlich sah er ihr verzweifelt ins Gesicht:
    »Ja, meine Frau hat erfahren, dass ich hierherkomme!«
    Virgínia starrte ihn erst verständnislos an, fragte dann fast benommen, während ihr Kopf sich weigerte, in Gang zu kommen und von der eingeschlagenen Route abzuweichen:
    »Warum?«
    »Jemand hat es ihr gesagt! was soll ich denn machen, verdammt! jetzt reden die Leute …«
    Da hatte sie schon begriffen, das Gesicht blass vor Überraschung; mehrere Augenblicke stürzten vage dahin,

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