Der Lüster - Roman
einen Milchladen, aß zum Mittagessen Eier und trank Kaffee. Durch die sonnendurchflutete Straße ging sie zurück, jetzt mutlos und verlangsamt, fast in Unruhe; sie betrat die Wohnung – ja, das waren Vorbereitungen wie für ein Fest, das Herz wurde ihr schmerzlich eng, während sie lächelte. Am frühen Abend nahm sie ein Bad, wusch sich die Haare, steckte sie mit dem Schildkrötenkamm hoch, zog das weiße Kleid an – unter dem knappen Mieder spürte sie die körperliche Eingezwängtheit, die ihr zur selben Zeit die Gewissheit verlieh, elegant zu sein. Mit nassen, glatten Haaren ging sie hinaus in den Wind, um Brot und eine stärkere Glühbirne zu kaufen – und niemand würde sie je kränken können. Es wurde schon dunkel, als sie nach Hause kam, sie deckte den Tisch, tauschte die Birne aus, schnitt das Fleisch über der Bratpfanne, die sie aus Brejo Alto mitgebracht hatte, in Steaks – dann und wann hielt sie inne, beugte den Oberkörper mit einer Art Grimasse, als spürte sie einen plötzlichen Schmerz; aber es war nur irgendeine Empfindung zwischen extremer Hoffnung und Sattheit, und da sie ja allein war, konnte sie sich erlauben, sich so vorzubeugen. Sie puderte sich das Gesicht. Dann schaltete sie das Licht aus und setzte sich ans Fenster, um zu warten und die Haut trocknen zu lassen, die feucht war und kalt von Schweiß. Im Halbdunkel glänzten die Dinge ruhig, sauber und wohlriechend. Sie seufzte. Die Arbeit an der Baustelle war schon vor längerer Zeit eingestellt worden, ein Duft nach Jasmin kam aus der Seitengasse, wo bereits ein paar Liebespaare schlenderten. Der Mond erschien am dunklen Himmel, ein lauer Sommerwind blies durch die Stadt, das Besteck der Nachbarn hatte aufgehört zu klappern. Leichte Schläfrigkeit ergriff von ihr Besitz, lullte sie ein, eine Unwirklichkeit voller Versprechen und Erschöpfung umgab sie und machte sie matt. Der Mond stieg am Himmel auf, einige Pärchen verabschiedeten sich. Es klopfte an der Tür. Sie fuhr hoch, tat einen raschen Schritt, der feste Schenkel wurde von der tauben Ecke des Tischs durchbohrt, sie sog die Luft ein, riss sich zusammen, ein starker Schmerz verband sich mit ihrem eigenen Geruch nach Puder und frischem Schweiß; sie drehte den Schalter, das Licht schoss mit Kraft über die von der Dunkelheit ermatteten Augen, sie war verdutzt, sie hatte vergessen, dass sie die Glühbirne gewechselt hatte. Fast ohne die heftigen Umrisse der Dinge zu sehen, öffnete sie die Tür, Miguel trat über die Schwelle, wischte sich mit einem karierten Tuch über die Stirn, blieb dann überrascht stehen, sah Virgínias seidenes Kleid, die weiße Tischdecke, das fröhliche, reiche Licht, das funkelnde Besteck. Die Blumen …
»Aber das hatten Sie mir ja gar nicht gesagt, dass es ein Fest geben soll …«
»Na«, antwortete sie errötet und kühl, »kommen Sie doch rein.«
Er trat ein, aber seine Haltung war gezwungen, misstrauisch.
»Soll ich nochmal nach unten gehen und mir was Besseres anziehen?«, fragte er.
»Nicht doch!«, schrie sie fast und hielt sich die Ohren zu, verletzt, getroffen, »nicht doch!«
»Ist ja gut, ist ja gut«, lenkte er erschrocken ein, »ist gut, ich habe gar nichts gesagt …«
Die Augen unstet vor Tränen, das Gesicht geschwollen, versuchte sie ein fröhlicheres Lächeln, doch das Licht blitzte auf ihrer feuchten Netzhaut, und sie sah vor sich glänzende, zittrige Tropfen, mit einer gewissen ersehnten Lust des Sehens.
»Aber was ist denn los?!«, fragte er mit zunehmendem Entsetzen.
»Na, gar nichts! … Was soll schon sein? … Etwas zu viel Licht für die Augen, ich hatte im Dunkeln gesessen, was sonst? Na …«
»Im Dunkeln …?« Und er schien sich dem anzunähern, was er nie begreifen würde.
»Ja, wirklich, im Dunkeln, mit Kopfschmerzen!«, log sie mit lauter Stimme.
Er setzte sich auf einen Stuhl, die Finger über dem Bein verschränkt. Sie hielt einen Moment lang inne; sie hatte nichts zu sagen. Er sagte:
»Setzen Sie sich doch.«
Sie wurde munter:
»Setzen? … Und wer macht dann das Abendessen?«
»Ach ja, stimmt … Soll ich Ihnen helfen?«
»Nein, nein, danke«, lehnte sie fast beleidigt ab. Aber sie regte sich nicht von der Stelle, wusste nicht, wie sie ihn da sitzen lassen und in die Küche gehen sollte.
»Wie spät ist es denn?«, erkundigte er sich.
»Wie soll ich das wissen?«, erwiderte sie empfindlich.
»Das stimmt …« Er zog seine kupferne Uhr hervor, warf einen Blick darauf: »Es
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