Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Lustmolch

Der Lustmolch

Titel: Der Lustmolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
Vom Netzwerk:
Bess Leander behandelt oder nicht behandelt hatte, nicht die Ursache für deren Tod war, hatte Val in ein tiefes Dilemma gestürzt. Wie ein Zombie hatte sie sich durch die Termine des Morgens geschleppt, Fragen mit Gegenfragen beantwortet, so getan, als würde sie sich Notizen machen, doch dabei hatte sie kein einziges Wort von dem registriert, was ihre Patienten ihr erzählten.
    Vor fünf Jahren hatte es in den Medien eine wahre Flut von Berichten gegeben, die sich mit den Gefahren von Prozac und anderen Antidepressiva auseinandersetzten. Auslöser dieser Berichte waren eine Reihe aufsehenerregender Schadenersatzklagen gegen die Pharmahersteller. Was im Gefolge davon herauskam - die Tatsache, daß keine einzige Geschworenen-Jury feststellte, daß Antidepressiva als Ursache für destruktives Verhalten gelten konnten -, wurde auf die hinteren Seiten der Zeitungen verbannt. Eine mächtige religiöse Gruppe (deren Prophet ein ziemlich dumpfer Science-fiction-Autor war, in dessen Gefolgschaft sich massenweise irregeleitete Filmstars und Supermodels tummelten) hatte einen Medienfeldzug gegen Antidepressiva gestartet und empfohlen, Depressionen mit guter Laune, In-die-Hände-spucken und damit zu bekämpfen, daß man das Mutterschiff mit Benzingeldspenden am Laufen hielt. In den verschiedenen Fachzeitschriften erschienen keinerlei Berichte, in denen nachgewiesen wurde, daß es infolge von Antidepressiva zu einem vermehrten Auftreten von suizidalem oder gewalttätigem Verhalten kam. Val hatte zwar die religiösen Traktätchen gelesen (dahinter standen schließlich die Reichen und Schönen), die Fachzeitschriften ihrer Berufsorganisation jedoch nicht. Sicher, es war falsch gewesen, ihre Patienten quasi automatisch mit Antidepressiva zu behandeln, doch der Versuch, ihren Fehler wiedergutzumachen, indem sie bei sämtlichen Patienten die Medikamente absetzte, war ebenso falsch. Nun mußte sie sich mit der Tatsache auseinandersetzen, daß sie ihnen eventuell Schaden zugefügt hatte.
    Val drückte auf die Schnellwahltaste mit der Telefonnummer der Apotheke. Winston Krauss antwortete, doch seine Stimme klang, als hätte er eine fürchterliche Erkältung.
    »Pine Cobe Drug and Gibt.«
    »Winston, Sie klingen ja furchtbar.«
    »Ich hab meine Masbe und den Schnorgel an.«
    »Oh, Winston.« Val rieb sich die Augen, wodurch ihre Kontaktlinsen irgendwo nach hinten in den Schädel rutschten. »Doch nicht im Laden.«
    »Ich bin im Hinterzimmer.« Beim letzten Wort des Satzes wurde seine Stimme wieder klar. »So, ich hab sie abgenommen. Ich bin froh, daß Sie anrufen. Ich muß mich unbedingt mit
    Ihnen über Killerwale unterhalten.«
    »Wie bitte?«
    »Ich fühle mich zu Orcas hingezogen. Ich habe ein Jacques- Cousteau-Video darüber gesehen ...«
    »Winston, können wir darüber in meiner Praxis reden ...«
    »Ich bin besorgt, denn ganz besonders hingezogen fühlte ich mich zu dem Männchen. Heißt das, daß ich homosexuell bin?«
    Jesus, er machte sich nicht im geringsten Sorgen darüber, daß er ein verhinderter Walrammler war, solange er kein verhinderter schwuler Walrammler war. Als Psychiaterin versuchte sie nach besten Kräften, Worte wie »durchgeknallter Psycho« aus ihrem Vokabular zu streichen, selbst in Gedanken, doch im Fall von Winston Krauss war alle Anstrengung vergebens. Das mußte aufhören. »Winston, die Leute kriegen allesamt wieder ihre SSRIs. Werden Sie die Placebos irgendwie los. Ich werde erst mal allen Paxil verschreiben, um den Medikamentenspiegel so schnell wie möglich hochzukriegen. Schärfen Sie den Prozac-Patienten ein, daß sie im Gegensatz zu früher auf keinen Fall auch nur einen Tag aussetzen dürfen.«
    »Sie wollen, daß ich bei allen die Placebos absetze? Wissen Sie, wieviel Geld wir verdienen?«
    »Fangen Sie heute damit an. Ich werde meine Patienten anrufen. Ich will, daß Sie die Placebos, die Sie noch übrig haben, verrechnen.«
    »Da mache ich nicht mit. Ich habe schon beinahe genug Geld zusammen, daß ich mir einen Monat im Walforschungszentrum auf Grand Bahama leisten kann. Das können Sie mir nicht wegnehmen.«
    »Winston, ich werde auf keinen Fall die Gesundheit meiner
    Patienten aufs Spiel setzen, damit Sie in Urlaub fahren können, um Flipper zu ficken.«
    »Ich habe gesagt, ich mache nicht mit. Sie sind diejenige, die das Ganze angeleiert hat. Was war denn damals mit der geistigen Gesundheit Ihrer Patienten?«
    »Ich habe einen Fehler gemacht. Ich werde auch nicht allen Patienten wieder

Weitere Kostenlose Bücher