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Der Lustmolch

Der Lustmolch

Titel: Der Lustmolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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muß, was jetzt zu tun ist. Ich will nicht ins Gefängnis, Gabe. Vielleicht haben nicht alle meiner Patienten Antidepressiva gebraucht, aber bei einigen von ihnen waren sie wirklich notwendig.« Sie schluchzte sich an seiner Schulter aus, und er fing an, ihr übers Haar zu streichen, bis er schließlich ihr Kinn nach oben hob und ihre Tränen wegküßte.
    »Das kommt schon wieder in Ordnung. Ganz bestimmt.« Sie blickte ihm in die Augen, auf der Suche nach einem Anzeichen von Arglist, und als sie nichts dergleichen entdecken konnte, küßte sie ihn und zog ihn auf die Couch hinunter.

Eine höhere Macht
    Und sie beteten den Lindwurm an, und jener gab der Bestie Macht. Und sie beteten die Bestie an und sagten: Wer kommt der Bestie gleich?
    Offenbarung des Johannes 13:4
    Ich sollte ein Paar Klauen sein
    voller Kanten und Zacken und scharren über den
    Grund der schweigenden Meere.
    T. S. Elliot »Das Liebeslied des J. Alfred Prufrock«

-23-
STEVE
    Von welchen Schrecken kann ein Drache träumen? Eine Kreatur, die auf ihre Weise den Planeten über Jahrmillionen hinweg beherrscht hat, eine Kreatur, der mickrige menschliche Säugetiere Tempel errichtet haben, eine Kreatur, die keinen Feind hat außer der Zeit - was konnte sich eine solche Kreatur zusammenträumen, das sie in Angst und Schrecken versetzte? Sollen wir es Bewußtsein nennen?
    Und so lag der Drache - sexuell befriedigt, den Bauch voller Drogendealer - unter einer Gruppe von Eichen und träumte eine Vision vom Vergehen der Zeit. Das ewige Jetzt, das er immer nur gekannt hatte, war nun plötzlich mit einer Geschichte versehen. In seinem Traum sah er sich als Larve, eingehüllt in einer schützenden Tasche unter der Zunge seiner Mutter, bis es schließlich sicher genug war, unter ihren wachsamen Blicken die Welt draußen zu erkunden. Er sah vor sich das Jagen, die Paarungsvorgänge, die Formen, die er nachzuahmen gelernt hatte, während seine flüchtige DNS sich nicht wie bei anderen Lebensformen im Laufe von Generationen veränderte, sondern im Verlauf von Zellteilungen. Er sah die Männchen, die er nach der Paarung gefressen hatte, als er noch ein Weibchen war, und die drei Jungen, die er damals zur Welt gebracht hatte, einschließlich des letzten, das von einem
    Warmblüter getötet worden war, der den Blues sang. Er erinnerte sich an die vor nicht allzu langer Zeit erfolgte Umwandlung von einem Weibchen zu einem Männchen, und die Erinnerungen daran erschienen ihm in Gestalt von Bildern und nicht in Form von instinktiven Mustern und konditionierten Reaktionen.
    Er sah all diese Bilder in einem Traum, der ausgelöst worden war durch den eigenartigen Paarungsvorgang mit dem Warmblüter, und er fragte sich, warum. Zum ersten Mal in den fünftausend Jahren seiner Existenz fragte er sich: Warum? Und sein Traum antwortete mit einer Bilderflut von Ozeanen und Sümpfen, Flüssen und Mooren, Gräben und Gebirgen unter der Meeresoberfläche, und sie waren alle verlassen von seiner Rasse. Er hätte genausogut in der kalten Schwärze am Ende des Universums treiben können, wo das Licht die Hoffnung aufgibt und die Zeit ihrem eigenen Schwanz hinterherjagt, bis sie vor Erschöpfung stirbt, denn genauso allein war er. Bei manchen Kerls hat Sex nun mal solche Folgen.
    VAL
    »Oh, mein Gott, die Rattenhirne!« rief Gabe.
    Dies war eine ganz andere Art der Reaktion auf sexuelle Aktivitäten. Val wußte nicht genau, ob sie sich gekränkt fühlen sollte, denn sie kam sich in diesem Augenblick ziemlich verletzlich vor mit ihren Knien auf Höhe der Ohren, einem Biologen über sich und ihrer Strumpfhose, die von einem ihrer Füße herunterhing wie eine arg in Mitleidenschaft gezogene Regimentsfahne.
    Gabe fiel in ihre Arme, und sie warf einen Blick über die Schulter zum Couchtisch, um nachzusehen, ob sie nicht vielleicht die Weingläser auf den Teppich gekippt hatten.
    »Mit dir alles in Ordnung?« fragte sie ein wenig außer Atem.
    »Entschuldige, aber mir ist gerade aufgegangen, was mit diesem Wesen los ist.«
    »Darüber hast du nachgedacht?« Jawohl, ihre Gefühle waren verletzt, definitiv.
    »Nein, nicht währenddessen. Aber gleich danach, da ist es mir aufgegangen, wie eine Erleuchtung. Irgendwie schafft es das Wesen, Säugetiere anzulocken, die einen niedrigeren Serotoninspiegel haben als normal. Und du hast - wieviel? - ein Drittel der Leute, die herumlaufen und sich mit dem Entzug von Antidepressiva herumschlagen.«
    Jetzt war sie nicht mehr verletzt, sondern stinksauer.

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