Der Mackenzie Coup
Calloway. Und wenn sie es täten, würden sie sich bald wünschen, sie hätten mich nicht gefunden.«
»Kapiert«, sagte Chib.
Hate richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Gemälde, das er noch immer in den Händen hielt, und Mike befürchtete, dass er gleich mit der Faust ein Loch hineinstanzen würde. Aber nein, er legte es wieder auf den Snookertisch – sogar vergleichsweise sanft, was Mike verriet, dass der Mann wenigstens halbwegs überzeugt war – und begann es wieder in das braune Papier einzuwickeln.
»Also Waffenstillstand?«, fragte Chib. Erst die hörbare Erleichterung in seiner Stimme verriet Mike, wie nervös der Gangster seit Hates Erscheinen gewesen war.
»Das muss ich erst mit meinen Klienten abklären.« Hate klemmte sich das eingepackte Bild unter den Arm.
»Solang wir uns nicht geeinigt haben, kann ich Sie unmöglich hier rausspazieren lassen.« Chibs Erleichterung, so schien es Mike, hatte sich rasch in Großspurigkeit verwandelt.
Hate starrte ihn an, bis der Gangster zu blinzeln anfing. »Dann werden Sie mich schon aufhalten müssen«, sagte er lediglich und wandte sich zur Tür. Chib schaute sich um, und seine Augen blieben am Billardstangenständer hängen. Als er jedoch Mike einen Blick zuwarf, schüttelte der den Kopf und rief dann dem Riesen die Frage nach: »Warum auf Englisch?«
Der Mann blieb stehen und wandte sich halb um.
»Ihre Tattoos – das Wort ›Hate‹«, erklärte Mike. »Warum auf Englisch?«
Die einzige Antwort bestand in einem Schulterzucken, dann wurde die Tür aufgerissen und wieder zugeknallt. Mike wartete, bis das Dröhnen verhallt war, und nickte dann in Richtung der Queues.
»Vielleicht, wenn die eine Neun-Millimeter-Seele gehabt hätten.«
»Ich würde nicht darauf wetten, dass eine Neun-Millimeter diesen Arschficker aufhalten könnte.« Chib rieb sich mit einer Hand über das Gesicht.
»In deinem Metier lernt man ja wirklich die sympathischsten Menschen kennen.«
»Auch nicht viel schlimmer als in anderen Branchen.«
»Das könnte stimmen«, räumte Mike ein, und beide Männer lachten, was die Spannung im Raum löste. »Apropos«, fügte Mike hinzu, »was es auch sei – ich will es nicht wissen.«
»Ein so schlaues Kerlchen wie du – jede Wette, dass du’s dir schon längst ausgerechnet hast. Ich schulde jemandem Geld wegen einem Deal – der Utterson verschafft mir etwas Luft.«
»Ich hab davon gehört, dass so was mit der Mafia und alten Meistern vorkommt.«
»Tja, jetzt kommt’s auch in Edinburgh vor. Einen Drink?« In einer Ecke stand ein Tresen. Chib schloss einen der Schränke auf und holte eine halb volle Flasche Whisky und zwei Gläser heraus. Mike staubte einen Barhocker mit der flachen Hand ab und setzte sich.
»Komischerweise«, begann Mike, »ist es ja tatsächlich am vernünftigsten so.«
Chib leerte sein Glas. »Wie, ›so‹?«
»Wenn du das Bild nicht hast, haben die Bullen auch keine Chance, es in deinem Besitz zu finden.«
»Stimmt – vielleicht versuchen sie sich stattdessen Hate zu schnappen.« Chib schnaubte und goss sich noch einen Drink ein. »Ganz sicher, dass du den Beruf nicht wechseln willst?«
»Ich hab gar keinen Beruf.«
»Stimmt – du bist ein Rentier. Es sei denn, du hättest lieber ›Gentlemandieb ‹ in deinem Pass stehen.«
»Das war und bleibt eine einmalige Sache, Chib.« Mikes Handy fing an zu vibrieren. Er zog es aus der Tasche und sah auf das Display – es war Robert Gissing.
»Der Prof«, erklärte er und nahm ab. »Wie ist es gelaufen, Robert?«
»Ich bin noch nicht ganz fertig.« Gissing sprach mit gedämpfter Stimme, offenbar waren Leute in der Nähe.
»Nicht vergessen«, sagte Mike, »wenn Sie ein Taxi bestellen, geben Sie Ihre eigene Adresse als Fahrtziel an – nur für den Fall, dass jemand mithört. Unterwegs können Sie ja dann Ihre Meinung ändern und stattdessen zu mir fahren.«
»Ich bin kein Idiot, Mike!«
»Stimmt was nicht?« Mike hatte aus der Stimme des Professors etwas herausgehört. Das Whiskyglas erstarrte auf halbem Weg zu Chibs Mund.
»Sind Sie mit unserem Freund zusammen?«, fragte Gissing.
»Wie vereinbart. Er ist mit der Lieferung zufrieden.«
»Ist jetzt nicht das Problem – ich schick Ihnen einen Schnappschuss. Unglaubliche Dinger, diese Fotohandys. Ich denke, er hat nichts davon gemerkt.«
»Wer wovon gemerkt?«, fragte Mike, und seine Augen verengten sich.
»Dass ich ihn fotografiert habe – Sie können mit Ihrem Handy doch Bilder empfangen,
Weitere Kostenlose Bücher