Der Mackenzie Coup
können, wenn er die Zeit gehabt hätte, noch ein bisschen daran zu feilen. Im Lauf seines bisherigen Lebens hatte Chib schätzungsweise an die zwanzigtausend Lügen gehört, und zwar meist perfekt ausgefeilte. Mikes Versuch war nicht die gleiche Liga gewesen. Hätte nicht mal für die Jugendmannschaft gereicht.
Ein weiterer Grund für seinen kleinen Freundschaftsbesuch: Chib hatte herausfinden wollen, wie reich Michael Mackenzie wirklich war. Klar, er hatte eine Firma gehabt, irgendein Produkt verkauft, aber er konnte die Sache auch irgendwann in den Sand gesetzt haben. Ein Haufen Leute aus Chibs Bekanntschaft hatten viel Geld verdient, bloß um es dann mit irgendwelchen faulen Aktien oder todsicheren Renntipps durch den Schornstein zu jagen. Aber Mike führte das richtige Highlife, gar keine Frage. Chib zweifelte nicht daran, dass die Gemälde an den Wänden Originale waren. Die Flachbildglotze musste drei bis vier Riesen gekostet haben. Und die Wohnung selbst – nicht viel unter ’ner Million. Ach was, bei den Preisen in Edinburgh vielleicht sogar eins-fünf, eins-sechs.
Was Chib nur recht sein konnte: Er schätzte Leute mit Kohle.
Mike war in der Lage, das Problem Westie mit ein paar Bündeln großer Scheine zu lösen, aber das garantierte noch lange nicht, dass die beiden sich nicht wieder melden und mehr verlangen würden – vielleicht nächste Woche oder nächstes Jahr, aber irgendwann bestimmt. Bei Licht betrachtet, konnte Mike auch Chibs Cashflow-Problem lösen, sollten die Wikinger das Bild denn doch nicht haben wollen. Die Planungsphase … die heimlichen Treffen … die Umwege und Manöver, um etwaige Beschatter abzuschütteln … die Übergabe der Schießeisen … das alles hatte etwas in Mike ausgelöst. Er war allmählich auf den Geschmack gekommen. Ihn mit Hate bekannt zu machen konnte allerdings ein Fehler gewesen sein – dazu war Mike noch nicht bereit gewesen. Hate hatte ihm einen ordentlichen Schrecken eingejagt, und seine frühere Selbstsicherheit war noch nicht wiedergewonnen. Trotzdem hatte er sich heute Morgen ganz wacker geschlagen.
Woher hast du meine Adresse?
Chib musste lächeln – er hatte lediglich einen Immobilienmakler zu fragen brauchen. Die kannten alle »die Mackenzie-Hütte«, konnten sämtliche Zeitschriften und Zeitungsbeilagen runterrasseln, in denen schon Fotos vom Penthouse veröffentlicht wurden. Ein weiterer guter Grund, mit seinem Geld nicht zu protzen und eine möglichst unscheinbare Adresse zu wählen. Es sollte ja schließlich nicht jeder dahergelaufene Wichser wissen, was man so machte und ob sich ein Hausbesuch lohnte.
»Wohin, Boss?«, fragte Glenn vom Fahrersitz aus.
»Nach Hause«, antwortete Chib. Die andere SMS war von »Laura« gewesen. Als Chib ihre Ähnlichkeit mit dem Porträt aufgefallen war, hatte Mike ganz auf beiläufig gemacht – Du meinst Laura Stanton? Aber die beiden hatten was miteinander. Sie schickte ihm SMS, unterschrieb nur mit ihrem Vornamen und schien scharf darauf zu sein, ihren Millionärsfreund zu sehen. Mit dem Aspekt der Sache würde sich Chib auch noch befassen müssen. Aber momentan trillerte eins seiner Handys. Er erkannte die Nummer und spielte kurz mit dem Gedanken, nicht dranzugehen, dann befahl er jedoch Glenn, an den Straßenrand zu fahren. Chib öffnete die Tür, bevor der BMW überhaupt zum Stehen kam. Er atmete einmal tief durch und klappte das Handy auf.
»Calloway?«, hörte er eine leise Stimme sagen.
»Hi, Edvard.« Der einzige Name, unter dem Chib den Mann kannte: Edvard. Oberboss eines Hell’s Angels Chapter in der norwegischen Einöde. Die Bande verschob Drogen kreuz und quer durch Europa: von Dänemark nach Schweden; von Russland nach Finnland; von Norwegen nach Großbritannien. »Zufrieden mit dem Pfand?« Chib fiel erst jetzt auf, dass er vor einem Metallzaun stand. Dahinter lag ein zertrampeltes Stück Rasen, auf dem ein paar Kids bolzten.
Vor fünfundzwanzig Jahren wär ich einer von denen gewesen. Keiner hätte gewagt, mir den Ball, wenn ich ihn erst mal hatte, abzunehmen …
»Nun«, sagte Edvard, »deswegen wollte ich mit Ihnen sprechen.« Eine kultivierte, nie aggressive Stimme. Chib hatte praktisch gleich zu Beginn der Geschäftsbeziehung erfahren, dass er den dazugehörigen Mann nie zu sehen bekommen würde. Wahrscheinlich war nicht einmal Hate Edvard jemals begegnet …
»Ich hoffe, es gibt keine Probleme.« Chib starrte auf das Spiel, ohne davon etwas mitzubekommen. Ein Hund kläffte. Man
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