Der Maedchensammler
sie. Eve, dachte sie benommen. Eve hatte Angst. Eve versuchte, sie aus einem Traum zu wecken, der kein Traum war. Wusste sie nicht, dass sie hier bleiben musste? Es war ihre Pflicht, zu – »Jane!«
Langsam öffnete Jane die Augen.
Eves Gesicht war angstverzerrt.
»Hallo«, murmelte Jane. »Tut mir leid …«
»Damit gebe ich mich nicht zufrieden.« Eves Stimme zitterte.
»Mir reicht’s.« Sie stand auf und ging zur Tür.
»Zieh deinen Morgenmantel an und komm raus auf die Veranda. Ich muss mit dir reden.«
»Es ist nur ein Albtraum, Eve. Es geht mir gut.«
»Mit Albträumen kenne ich mich aus, und wer Albträume hat, dem geht es nicht gut. Nicht, wenn sie jede Nacht wiederkehren.
Komm raus auf die Veranda.« Sie wartete nicht auf eine Antwort.
Jane setzte sich langsam auf und schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können. Sie fühlte sich immer noch ganz benebelt, und in diesem Zustand war eine Diskussion mit Eve das Letzte, was sie gebrauchen konnte. Sie ging ins Bad und klatschte sich kaltes Wasser ins Gesicht.
Schon besser …
Nur ihre Lunge brannte und schmerzte noch, weil sie so lange keine Luft bekommen hatte.
Aber das würde sich bald legen, ebenso wie die Panik, die ihr immer noch in den Knochen saß.
Sie holte tief Luft, nahm ihren Morgenmantel vom Bett, zog ihn über und ging hinaus auf die Veranda.
Eve saß auf der Schaukel. »Wenigstens siehst du jetzt wach aus.« Sie reichte Jane eine Tasse heißen Kakao.
»Trink das. Es ist kühl hier draußen.«
»Wir könnten ja reingehen.«
»Ich will Joe nicht wecken. Er würde nur denken, dass ich dein Problem übertreibe. Verdammt, ich bin mir nicht mal sicher, ob er es als Problem ansieht. Er meint immer, wir müssten uns in Geduld üben und darauf vertrauen, dass du das allein geregelt kriegst.«
»Vielleicht hat er Recht.« Sie trank einen Schluck Kakao und setzte sich auf die oberste Verandastufe. »Ich betrachte es nicht als Problem.«
»Ich schon. Und es liegt bei dir, mich vom Gegenteil zu überzeugen.« Sie hob ihre Tasse an die Lippen. »Und zwar indem du mir endlich erzählst, wovon zum Teufel du ständig träumst.«
Jane verzog das Gesicht. »Reg dich ab, Eve. Schließlich leide ich nicht an irgendeinem schweren Trauma, das was mit dir oder Joe oder meiner Kindheit zu tun hat.«
»Woher soll ich das wissen? Woher willst du das wissen?
Träume sind nicht immer klar und eindeutig, sie sind auf verschiedene Weise interpretierbar.«
»Klar, von irgendeinem Seelenklempner, der ein paar hundert Dollar die Stunde dafür kassiert, dass er wilde Vermutungen anstellt.«
»Ich bin selbst kein Fan von Psychoanalytikern, aber ich möchte mir sicher sein, dass ich dich nicht im Stich gelassen habe.«
Jane lächelte. »Herrgott noch mal, Eve, du hast mich noch nie im Stich gelassen. Du bist immer liebevoll und geduldig mit mir umgegangen, und das war bei so einer harten Nuss wie mir bestimmt nicht immer leicht.« Sie trank noch einen Schluck Kakao. »Aber ich hätte wissen müssen, dass du die Schuld für etwas auf dich nehmen würdest, das nichts mit dir zu tun hat.«
»Dann beweise mir, dass es nichts mit mir zu tun hat. Erzähl mir von diesem verdammten Traum.«
»Woher soll ich wissen, ob es jedes Mal derselbe ist?«
»Ist er das nicht?«
Jane schwieg. »Doch.«
»Endlich.« Eve lehnte sich zurück. »Weiter.«
»Na ja, es ist derselbe Traum und auch wieder nicht. Er fängt immer gleich an, aber jedes Mal scheint es einen Schritt weiter zu gehen.« Sie schaute auf den See hinaus. »Und manchmal …
ich weiß nicht … manchmal bin ich mir nicht sicher, ob es wirklich ein Traum ist.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich bin wirklich dort, Eve.«
»Wo?«
»In einem Tunnel oder einer Höhle. Irgend so was. Und ich versuche, den Ausgang zu finden, aber ich weiß nicht, wo er ist.
Und ich habe nicht viel Zeit. Ich kriege keine Luft, und es wird immer heißer. Ich laufe und laufe, aber ich weiß nicht, ob ich da rauskommen werde.«
»Die Hölle?«
Jane schüttelte den Kopf. »Das würde passen, nicht wahr?
Heiß und keine Luft zum Atmen und eine endlose Jagd. Aber das ist ein echter Tunnel. Und ich bin nicht tot. Ich lebe und kämpfe um mein Leben.«
»Kein Wunder. Du bist schon immer eine Kämpferin gewesen.«
»Ja, das stimmt.« Sie starrte unverwandt auf den See. »Aber wenn ich mich in dem Traum an Kämpfe erinnere … ist es anders. Das sind nicht meine
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