Der männliche Makel: Roman (German Edition)
ein gewaltiger Unterschied zwischen der grundlegenden Einsamkeit, vor der ich mich fürchtete, und dem Alleinsein.
Und in diesem Moment wurde mir eines klar. Ganz gleich, was die Zukunft auch für mich bereithalten mochte, und obwohl ich manchmal unter dem Gewicht der an mich gestellten Anforderungen zusammenzubrechen glaubte, gab es da etwas, auf das ich auf keinen Fall verzichten wollte, und das war, Mutter zu werden. Für mich stand fest, dass ich mir das am meisten wünschte. Ein eigenes Kind. Für die Unannehmlichkeiten, die ein Mann so mit sich bringt, gab es in meinem Leben keinen Platz. Nein, danke. Ich wollte nur ein Baby, und damit basta. Und nachdem dieser Entschluss gefallen war, fühlte ich mich, als wäre das eiserne Band um mein Herz zersprungen. Es stand außer Frage, dass es nicht nur das Richtige, sondern das einzig Richtige war.
Gut, ich hatte zwar keine engen Freundinnen oder überhaupt welche, denen ich mich hätte anvertrauen können, hatte jedoch in der Redaktion genug Horrorgeschichten aufgeschnappt, um zu wissen, wie jemand in meiner Situation am besten vorgehen musste. Ich hatte am Wasserspender wahre Schauerromane belauscht, leise geraunte Tragödien von Frauen, die mit Partnern, die plötzlich Ex-Partner wurden, Kinder hatten. Und anschließend verbrachten diese Ex-Partner Jahre damit, die Mutter ihres Kindes vors Familiengericht zu zerren und Besuchsrechte zu fordern. Die immer und in allen Fällen gewährt wurden.
Offenbar war ein Übernachtungsbesuch der erste Schritt. Darauf folgte dann der Wochenendbesuch … was schon genügte, um mir einen kalten Schauder über den Rücken zu jagen. Gemeinsames Sorgerecht wäre, wie ich wusste, für mich niemals in Frage gekommen. Und so entschied ich mich für die nächstbeste Lösung.
Und zwar eine Samenbank, wo ich erfolgreich befruchtet wurde. Zum großen Erstaunen aller Mitarbeiter in der Klinik wurde ich schon beim ersten Versuch schwanger. Bis heute habe ich noch den Spruch meiner Mutter im Ohr, dass bei mir sogar die Eileiter nach Plan funktionierten.
Und nun hatte ich sie, meine kleine Lily Elizabeth Emily, das einzig Persönliche, was ich mir nur für mich und für mich allein je im Leben gewünscht habe. Ich habe meinen Beschluss niemals bereut. Lily ist, wie ich es sehe, das Wunderbarste, was mir je passiert ist. Sollen die Leute sich doch die Mäuler darüber zerreißen, wer ihr Dad ist. Denn sie ist meine Seelenverwandte, die wahre Liebe meines Lebens, der Grund, warum ich jeden Abend nach Hause komme. Unsere kostbaren gemeinsamen Sonntage sind das, wofür ich lebe.
Eine sehr lange Pause entsteht, während Miss Pettifer die Nachricht mit einem nachdenklichen Nicken verdaut.
»Ich verstehe. Danke, dass Sie es mir gesagt haben. Weiß Lily Bescheid?«
»Äh, nein … sie ist ja noch nicht einmal drei. Das ist doch nicht unbedingt ein Thema, das man mit einem kleinen Kind erörtert, oder?«
»Sie wären überrascht, wie viel sie in diesem Alter schon begreifen. Der bedauerliche Zwischenfall von heute könnte ein Hinweis sein. Miss Simpson, unsere Kindergärtnerin, hat mit der Gruppe eine kleine Übung gemacht. Jeder sollte den anderen erzählen, was er am Wochenende unternommen hat. Also haben die Kinder berichtet, sie hätten mit Mum und Dad die Großeltern besucht oder, wieder mit Mum und Dad, im Park die Enten gefüttert. Lily wurde wirklich aufgebracht, als alle so offen über ihre Väter redeten. Das arme Kind hat wirklich die Welt nicht mehr verstanden. Die Situation eskalierte, als Tim O’Connor Lily ziemlich grob vorwarf, sie hätte ja gar keinen Dad. Dann hat er sie gefragt, ob ihr Dad tot sei.«
»Und was hat Lily geantwortet?«, erkundige ich mich mit zitternder Stimme. Inzwischen ist meine Kehle ganz trocken, und mir graut vor der Antwort.
»Wie ich es gehört habe, hat Lily beteuert, sie habe einen Dad, und eines Tages werde er sie holen kommen. Daraufhin hat Tim sie provoziert, sie eine Lügnerin genannt und gesagt, alle Kinder in der Gruppe hätten einen Dad, nur sie nicht. Da hat Lily nach ihm geschlagen, ihn getreten und geboxt und dabei laut geschrien. Das volle Programm. Der Gerechtigkeit halber muss ich hinzufügen, dass Tim sich auch nicht richtig verhalten hat. Er hätte sich nicht so benehmen dürfen, und Sie können mir glauben, dass seine Eltern ebenfalls verständigt worden sind. Schlechte Manieren, ganz gleich, welcher Art, werden hier nicht geduldet.«
Das, was ich gerade gehört habe, hat mich so
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