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Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Titel: Der männliche Makel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Carroll
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halb abwendet, weckt in mir den Verdacht, dass ich auf der richtigen Spur bin.
    »Tja, wenn ich es mir genau überlege, hatte ein Typ, der so ähnlich aussah, vor zwei oder drei Jahren bei mir ein Zimmer gemietet«, sagt sie. »Der ist längst über alle Berge, aber ich erinnere mich an ihn. Sehr zurückhaltend, ein Eigenbrötler, hatte immer die Nase in irgendeinem Buch.«
    »Ja, ich bin sicher, dass er es ist«, erwidere ich aufgeregt. Ich habe keine Ahnung, warum, aber ich habe mir William immer als Bücherwurm vorgestellt. Lily ist ganz sicher einer, und sie kann noch nicht einmal richtig lesen.
    »Doch der Name stimmt nicht.«
    »Verzeihung?«
    »William … wie soll er noch mal geheißen haben?«
    »Goldsmith.«
    »Nein«, sagt sie, wirft sich das Geschirrtuch über die breite Schulter und überlegt. »So hat er sich wenigstens hier nicht genannt. Der Typ, an den ich denke, hieß anders … Billy, Billy irgendwas …«
    »Du meinst Billy O’Casey«, mischt der Barmann sich von hinten in unser Gespräch ein. Er trägt einen Schnurrbart, ist Mitte fünfzig und unglaublich sonnengebräunt.
    »Genau, danke!«, sagt Michelle und versetzt ihm einen spielerischen Klaps mit ihrem Geschirrtuch. »Billy O’Casey. Mein Gott, wie konnte ich diesen Namen vergessen? Und ich erzähl Ihnen noch etwas. Jetzt fällt es mir wieder ein. Der Dreckskerl ist einfach abgehauen, ohne die letzte Monatsmiete zu bezahlen.«
    »Und das ist noch nicht alles«, ergänzt der Barmann. »Muss ich dich an die Höhe der Zeche erinnern, die er hier geprellt hat?«
    Im nächsten Moment kehrt ein Dicker, der aussieht, als hätte er zwei Hintern, vom Rauchen zurück und setzt sich wieder an den Tresen.
    »Redet ihr über Billy O’Casey?«, will er wissen. »Wenn der mir noch mal unter die Augen kommt, mach ich ihn einen Kopf kürzer.«
    »Wie viel schuldet er dir denn?«, erkundigt sich Michelle, die inzwischen ganz Ohr ist.
    »Fast zweihundert Euro, mein Schatz. Seit ich das Geld beim Dartsturnier hier gewonnen habe und er mich gebeten hat, es ihm zu leihen. Das war etwa um die Zeit, in der er sich in Luft aufgelöst hat. Hab nie mehr wieder was von ihm gehört.«
    »So ein Schwein.«
    »Ein richtiges Arschloch.«
    »Miese Drecksau.«
    »Falls der sich jemals wieder hier blicken lässt, kriegt er einen Tritt, dass er wieder in Darndale landet …«
    »Ich helfe dir gern dabei.«
    Da das noch eine Weile so weitergehen würde, unterbreche ich die drei.
    »Verzeihung, aber ich bin ein bisschen in Eile. Wissen Sie vielleicht, wo er jetzt sein könnte?«
    »Sind Sie wahnsinnig?«, empört sich der Mann am Tresen. »Wenn ich das wüsste, würde ich mir doch sofort mein Geld von ihm zurückholen, richtig? Und dann würde ich ihn ordentlich vermöbeln. In dieser Reihenfolge.«
    Gut, improvisiere ich, während ich durch den Regen in die Redaktion haste, um noch pünktlich zu meiner Sitzung zu kommen. Also ist er kein unverstandenes Genie, das Pech im Leben gehabt und im Trinity College niedere Arbeiten verrichtet hat, um Universitätsluft zu schnuppern.
    Nein, er ist ein Luftikus, der verschwindet, ohne seine Miete zu bezahlen, die Zeche prellt und sich Geld leiht, das er nicht zurückgibt. Und außerdem hat er noch die ärgerliche Angewohnheit, unter falschem Namen aufzutreten.
    Soll ich Ihnen etwas verraten? Je mehr ich über Lilys Vater höre, desto weniger faszinierend finde ich ihn und umso dringender will ich ihn aufspüren. Ich muss feststellen, mit wem ich es hier zu tun habe. Und da ich nun einmal gern alles im Griff habe, möchte ich sehen, ob ich eventuellen Problemen möglicherweise vorbeugen kann, bevor es zu spät ist.
    Denn Helen hat zweifellos recht. Wenn ich jetzt nichts unternehme, wird Lily es eines Tages tun. Und es würde mich umbringen, wenn sie erführe, dass ihr Dad womöglich ein Junkie auf Methadon ist, der in Hauseingängen und auf Parkbänken übernachtet. Offen gestanden habe ich nämlich den Verdacht, dass diese moderne griechische Tragödie genau darauf hinausläuft.
    Darndale … der Barmann hat doch Darndale erwähnt …
    Am Mittwoch habe ich etwa fünfzehn Suchanfragen nach einem Billy oder Bill O’Casey aus Darndale gestartet. Die Datenbank, die wir in der Redaktion verwenden – eine ähnliche, wie auch die Polizei sie benutzt –, liefert mir sage und schreibe neunundfünfzig Männer dieses Namens, alle wohnhaft in Darndale. Keine heiße Spur, aber besser als nichts. Ich enge den Kreis ein wenig ein, indem ich sein

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