Der männliche Makel: Roman (German Edition)
Flammen gelesen.
Sie war tropfnass und so blass wie schon seit Langem nicht mehr, was etwas zu bedeuten hatte. Obwohl sie eigentlich immer Anspannung und Nervosität verbreitete, war es heute noch schlimmer als sonst. Jake erkannte auf den ersten Blick, dass etwas Schwerwiegendes vorgefallen sein musste. Nicht einmal Menschen, die in einer Strafanstalt lebten, wirkten normalerweise so bedrückt und niedergeschlagen. Und dafür war er schließlich Fachmann.
»Fehlt Ihnen was?«, erkundigte er sich.
»Alles bestens«, entgegnete sie knapp.
Also musste es etwas Ernstes sein, so viel stand fest. Wenn Frauen behaupteten, dass alles bestens sei, traf für gewöhnlich das genaue Gegenteil zu.
»Gemütlich haben Sie es hier.« Sie warf einen Blick auf den Kamin.
»Danke.« Er nickte. »Setzen Sie sich ans Feuer, damit Sie wieder trocken werden.«
»Schon gut, danke. Ich kann nicht bleiben …«, begann sie hastig, schien es sich aber anders zu überlegen, als ihr der köstliche Duft von Knoblauch und Zwiebeln in die Nase stieg.
»Äh … kochen Sie etwa? In der Küche?«
Sie klang so perplex, als hätte er sich in der Küche den Kopf rasiert.
»Äh … dazu benutzen die Leute ihre Küche normalerweise. So was kommt häufiger vor.« Er grinste sie an. »Haben Sie vielleicht Hunger? Das Essen reicht für uns beide.«
Sie musste einfach Hunger haben. Die Frau sah aus, als hätte sie seit den frühen Neunzigern nichts mehr zu sich genommen, dachte er, als er sie betrachtete. Sie war ja nur Haut und Knochen.
»Nein«, stammelte sie, nicht sehr überzeugend. »Das heißt, schon, aber ich muss nach Hause. Da ist ein Haufen unbeantworteter Mails … und ich muss heute noch so viel erledigen …«
»Ach, verdammt, Eloise, tun Sie ausnahmsweise mal, was ich sage. Bleiben Sie, setzen Sie sich und essen Sie etwas«, entgegnete er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
Offenbar zu erschöpft, um zu protestieren, ließ sie sich in einen Lehnsessel neben dem knisternden Feuer fallen.
»Braves Mädchen«, meinte Jake. »Tun Sie sich etwas Gutes und lassen Sie sich zur Abwechslung mal verwöhnen.«
»Das ist nett von Ihnen. Mein Tag war heute wirklich besonders anstrengend«, erwiderte sie und verdrehte die Augen zur Decke.
»Dann bleiben Sie einfach sitzen und ruhen Sie sich aus. Essen ist unterwegs.«
Er kehrte in die kleine Küchenzeile zurück, um Fleisch und Gemüse im Wok umzurühren, während Eloise sich umsah.
»Sie haben renoviert«, stellte sie fest und wies mit dem Kopf auf die frisch gestrichenen Wohnzimmerwände. Die Bilder, die der Vormieter auf dem Fußboden zurückgelassen hatte, hingen nun ordentlich gerahmt und geschmackvoll arrangiert an den Wänden.
»Ach ja, ich habe die Bude nur ein bisschen aufgemöbelt.« Er stand achselzuckend am Herd und spielte herunter, dass er seit seinem Einzug alles in der Wohnung repariert und sie auf Vordermann gebracht hatte, damit Eloises Schwester sie leichter würde vermieten können. Er hatte bereits den Holzboden lackiert, alle Wände gestrichen, die Lecks unter Spülbecken und Dusche abgedichtet und die schief in den Angeln hängende Tür des Küchenschranks wieder befestigt. Er fand, dass es das Mindeste war, was er tun konnte.
»So gut hat es hier noch nie ausgesehen«, lobte sie, streckte die Beine in Richtung Feuer und fing allmählich an, sich zu entspannen. »Eins muss ich Ihnen lassen, Jake. Ich hätte Sie nie für einen metrosexuellen Mann gehalten, der sich in Haushaltsdingen auskennt.«
Lachend entfernte er den Schraubverschluss von einer Weißweinflasche und schenkte ihr ein Glas ein.
»Dachten Sie, jemand mit meiner Statur neigt eher dazu, Sachen kaputtzuschlagen, anstatt sie zu reparieren?«, neckte er sie.
»Nein, so habe ich es nicht gemeint. Es ist hier nur so makellos ordentlich. Wenn ein Mann allein in einer Wohnung lebt, stapelt sich normalerweise das schmutzige Geschirr …«
»Sie haben den Gestank des tagealten Fertiggerichts für die Mikrowelle vergessen, der in der Luft hängt …« Er grinste.
»… und die dreckigen Unterhosen auf der Sofalehne …«
»… während im Fernseher in voller Lautstärke Fußball läuft. Ja, ich habe in genug Wohnungen gelebt, auf die diese Beschreibung passen würde. Hier, trinken Sie ein Glas Wein.«
»Ich kann nicht. Bin mit dem Auto da.«
»Eines ist doch erlaubt, oder? Damit Sie wieder ein bisschen Farbe ins Gesicht kriegen.«
Und trotz ihrer Behauptung, dass sie viel zu müde und
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