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Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Titel: Der männliche Makel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Carroll
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angespannt sei, um etwas herunterzubringen, verspeiste sie fünf Minuten später genüsslich eine große Schale Reis mit Hühnchen und Gemüse und trank dazu ein Glas Weißwein.
    Als plötzlich eine angespannte Gesprächspause entstand, erkundigte sie sich höflich nach seinem Studium, nur um das Schweigen zu brechen. Doch er fiel ihr ins Wort.
    »Werden Sie mir jetzt endlich verraten, was Sie heute Abend bedrückt?«, fragte er sie geradeheraus und sah sie unverwandt an.
    Sie erwiderte verdattert seinen Blick. Wie er richtig vermutete, war sie Direktheit nicht gewohnt. In ihrer Branche, wo jeder hemmungslos hinter dem Rücken des anderen über ihn lästerte, hatten wahrscheinlich nur wenige den Mut, einem etwas ins Gesicht zu sagen, nahm Jake an.
    »Keine Ahnung, wovon Sie reden …«
    »Ach, verdammt, muss ich es Ihnen aus der Nase ziehen?«
    »Mir fehlt wirklich nichts. Ich bin nur ein bisschen müde …«, protestierte sie und rieb sich erschöpft die Augen.
    »Eloise, versuchen Sie nie, jemanden anzulügen, der Fachmann auf diesem Gebiet ist. Als Sie hier reinkamen, sahen Sie aus, als würde die ganze Welt über Ihnen zusammenbrechen. Ich kann Ihnen nur anbieten, dass ich da bin und die ganze Nacht Zeit habe, falls Sie Ihr Herz ausschütten wollen. Nur zu.«
    Dann zuckte er die Achseln, um ihr mitzuteilen, dass sie nicht reden müsse, wenn sie nicht wolle.
    Und so fing sie zögernd und widerstrebend an, ihm alles zu erzählen. Sie vertraute sich ihm an, wie sie es seiner Vermutung nach schon sehr lange bei niemandem mehr getan hatte und es aus unerklärlichen Gründen bei anderen nicht konnte.
    »Es ist … dieser Stress bei der Arbeit«, erklärte sie schließlich. »Ein so gewaltiger Druck, dass ich die meiste Zeit das Gefühl habe, nur noch zu paddeln, um nicht zu ertrinken. Doch ich weiß, dass ich eines Tages, und wie es aussieht, schon sehr bald, untergehen werde. Früher war es nicht so. Da habe ich meinen Beruf geliebt und dafür gebrannt und wollte gar nichts anderes tun. Ich habe gar nicht verstanden, warum meine Kollegen Urlaub und Freizeit brauchten. Ich habe nur für meine Arbeit gelebt. Und jetzt …«
    »Erzähl weiter«, forderte er sie leise auf. Mittlerweile war er zum vertrauten Du übergegangen.
    »Nun … inzwischen gibt es Momente, an denen ich sicher bin, dass meine Tage als Chefredakteurin der Post gezählt sind.«
    Als er aufmunternd nickte, sprach sie weiter.
    Sie berichtete ihm von der nächsten anstehenden Kündigungswelle und den geplanten Personalkürzungen, um die sie sich kümmern müsse, weil es sonst niemand täte. Alle undankbaren Aufgaben würden bei ihr abgeladen. Und das sei auch der Grund, warum die gesamte Redaktion sie geschlossen hasse. Sie schilderte ihm den Vorstand, dem sie den Spitznamen Tyrannosaurier gegeben habe, den Altherrenclub, der einfach von ihr erwarte, die Online-Ausgabe ohne die geringste Unterstützung von irgendjemandem auf die Beine zu stellen. Sie müsse sich nur ständig Vorhaltungen anhören, wenn der Gewinn nicht stimme. Besonders genüsslich erzählte sie ihm von einem Kerl namens Seth Coleman, dem Redaktionsleiter, der systematisch an ihrem Stuhl säge, da er ihren Job haben wolle, und seinen großen Moment für gekommen hielte.
    Als Jake das hörte, wäre er am liebsten in die verdammte Redaktion gestürmt, um sich den Burschen vorzuknöpfen.
    Und dann, sie hatte sich das Beste für den Schluss aufgespart, erklärte sie ihm, was sie wirklich belastete.
    »Also«, begann sie und trank einen großen Schluck Wein, »ich sitze heute Abend um fünf in einer Besprechung mit Gewerkschaftsfunktionären, bin also voll und ganz beschäftigt. Und was macht Seth? Der kleine Dreckskerl beschließt, mich zu übergehen, und trifft sich hinter meinem Rücken allein mit den Tyrannosauriern.«
    »So ein Mistkerl. Den schnappe ich mir, wenn du willst.«
    »Das Schlimmste weißt du noch nicht. Er sagt, das langsame und stetige Sinken unserer Auflage drohe die Zeitung zu einer gefährdeten Art zu machen, die vom Aussterben bedroht ist und untergehen wird wie vor kurzer Zeit die Tribune . Und dem Prinzip folgend, dass ein sinkendes Schiff einen neuen Steuermann braucht, müsse die Chefredaktion der Post sofort in andere Hände übergehen. In anderen Worten, in seine. Im Grunde genommen hat er behauptet, die Post sei nun schon zu lange mein Privathobby. Ich hätte meine Chance gehabt und solle nun die Niederlage in Würde wegstecken und verschwinden. Das ist ja schon

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