Der männliche Makel: Roman (German Edition)
sonst auch lauten mochten. Doch als sie nach der Arbeit zu ihm kam, hatte er alles arrangiert.
Um den Abend stilvoll einzuläuten, hatte er ihr einen Blumenstrauß gekauft. Aus irgendeinem Grund erinnerte er sich daran, dass sie Lilien liebte. Und das Wort … Lilie – Lily …hatte sich in sein Gedächtnis eingebrannt. Also war er am Nachmittag in eine Blumenhandlung gegangen und so verschwenderisch gewesen, den größten Strauß im Laden zu erstehen. Als er ihr die Lilien überreichte, war sie tatsächlich errötet. So, als sei es schon Jahre her, dass ihr jemand Blumen geschenkt hatte. Sie sah so hübsch, jung und zart aus, dass er plötzlich das Bedürfnis hatte, sie zu umarmen. Aber er befürchtete, dass sie das missverstehen könnte.
»Oh … sie sind wunderschön«, begeisterte sich Eloise. Sie klang völlig verdattert, als sie an dem Band herumnestelte, das das Zellophan zusammenhielt, und ihr Gesicht tief in den Strauß hielt, um den wundervoll süßen Duft zu schnuppern.
»Du hast sie verdient. Überhaupt solltest du viel öfter Blumen bekommen. Und wenn wir schon beim Thema sind: Man sollte dich hin und wieder narkotisieren und mit Gewalt aus diesem dämlichen Büro und ins nächste Restaurant schleppen.«
»Mich? Ha, das soll wohl ein Scherz sein!«
»Warum nicht?«
»Komm, lass das …«
»Ich kapiere die Typen wirklich nicht, mit denen du täglich zu tun hast«, meinte er kopfschüttelnd, während er seine Jacke anzog. »Du bist ein wundervoller, phantastischer Mensch und außerdem klug und erfolgreich. Ein Mann sollte stolz darauf sein, dich am Arm zu haben, und sich freuen, dass er am Freitagabend mit dir ausgehen darf.«
Sie sah ihn tief gerührt an.
»Das meine ich übrigens ernst«, fügte er schlicht hinzu.
»Ich weiß«, erwiderte sie und hatte plötzlich einen seltsamen Kloß im Hals. »Vielen Dank. Nach dem Tag, den ich hinter mir habe, brauche ich … nun, sagen wir mal, dass jemand ein bisschen nett zu mir ist.«
»Also los, worauf warten wir? Ich habe dir versprochen, dich heute Abend nach Strich und Faden zu verwöhnen, und genau das werde ich jetzt tun.«
Mit diesen Worten packte er sie am Arm und schleppte sie trotz ihrer Proteste den ganzen Weg die Straße entlang zu Raoul’s, einem schicken französischen Restaurant unweit von Sandymount Green. In den letzten Wochen war er fast jeden Tag daran vorbeigekommen und hatte sich geschworen, Eloise zur Feier des Tages dort zum Essen einzuladen, falls es mit der Stelle klappte.
Da er darauf bestand, den Gastgeber zu spielen, bestellte er auch den Wein, als hätte er nie etwas anderes getan. Allerdings erkannte er daran, wie Eloise leicht die Lippen verzog, dass es der falsche gewesen war.
Ach herrje, man musste so viele Regeln befolgen und sich eine Menge Dinge merken, wenn man ein bürgerliches Leben führen wollte, dachte er mit einem innerlichen Aufstöhnen. Das Theater mit dem richtigen Wein war zum Beispiel eine Sache, die er niemals begreifen würde. Für ihn gab es Rotwein und Weißwein, und ansonsten trank man eben Bier. Doch Eloise hatte ihm erklärt, dass Chardonnay inzwischen nicht mehr angesagt sei und sie von Sauvignon Blanc schreckliche Kopfschmerzen bekäme und man sich daher am besten an Pinot Grigio hielte.
Als Jake die Weinliste studierte, die der Kellner ihm reichte, sobald sie saßen, entdeckte er ein weiteres Minenfeld. Die Hälfte war auf Französisch, weshalb Jake demonstrativ die Karte durchblätterte und so tat, als verstehe er den Inhalt. Zu seiner Erleichterung stieß er schließlich auf einen, der nicht ganz so teuer war und sogar auf Englisch angepriesen wurde … vielen Dank. Also bestellte er ihn, und falls die Aussprache nicht stimmte, war der Kellner zumindest höflich genug, ihn nicht in aller Öffentlichkeit zu verbessern.
Ein Junge aus der Arbeiterschicht und aus einem schlechten Wohnviertel zu sein konnte einen in große Schwierigkeiten bringen, dachte er. Doch eines musste er einräumen. Das Leben war dort, wo er herkam, um einiges einfacher. Weniger Fallstricke. Erstens war es völlig egal, was man anhatte. Man konnte den ganzen Tag in Trainingsanzug und Turnschuhen herumlaufen, ohne dass jemand mit der Wimper zuckte. Außerdem musste man seinen Akzent nicht verbergen und das th nicht ordentlich aussprechen und konnte mit Kraftausdrücken um sich werfen, wie man lustig war. Alle anderen, sogar seine Großmutter, taten es schließlich auch. (Offen gestanden hätte ihre Ausdrucksweise so
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