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Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Titel: Der männliche Makel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Carroll
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bei mir. Ich bin so oder so unbeliebt.«
    »Es ist nie zu spät, sich zu ändern«, entgegnete er mitfühlend und griff unwillkürlich über den Tisch hinweg nach ihrer Hand. Offenbar störte es sie nicht, denn sie zog sie nicht weg. »Warum quälst du deine Mitmenschen nicht ein bisschen weniger und lässt ihnen auch mal einen Fehler durchgehen? Sei lockerer und freundlicher zu deinen Kollegen, und plaudere dann und wann mit ihnen. Los, gib dir einen Ruck.« Er sah sie auffordernd an. »Das Ergebnis wird dich überraschen.«
    Als die Vorspeise serviert wurde, nickte sie erleichtert, und Jake spürte, dass sie das Thema wechseln wollte. Und da er ein Gentleman war, tat er ihr den Gefallen.
    »Wir sollten jetzt nicht mehr über die Arbeit reden«, meinte er. »Weißt du, was mich interessieren würde?«
    »Was?« Sie lächelte.
    »Ich würde nur zu gerne etwas über deine Familie hören.«
    Und, oh Wunder, diesmal verschloss sie sich nicht.
    »Tja, da gibt es nicht viel zu erzählen. Du weißt ja, dass meine Schwester momentan in der Stadt ist …« Sie verstummte, ohne hinzuzufügen, warum sie hier war und wie lange sie bleiben würde.
    »Was macht sie denn beruflich?«, erkundigte er sich.
    Doch sie wich der Frage geschickt aus und berichtete ihm stattdessen von ihrer Mutter, die in Marbella lebt.
    »Und jedes Mal, wenn ich sie besuche, was, weiß Gott, selten genug ist, ist sie blonder, brauner gebrannt und noch durchgestylter als beim letzten Mal. Versteh mich nicht falsch. Das Leben in der Sonne bekommt ihr großartig, aber … ich wünschte, ich könnte sie öfter sehen.«
    »Vermisst du sie?«
    »Natürlich. Jeden Tag.«
    »Na, dann tu etwas dagegen. Du musst inzwischen jahrelang Urlaub angespart haben. Nimm dir doch einfach frei und fliege hin. Setz dich mit deiner Schwester in die nächste Maschine, und los geht’s. Du hast nur eine Mutter.«
    Aber sie verdrehte die Augen.
    »Jake«, entgegnete sie spöttisch, »muss ich dich daran erinnern, dass Urlaub etwas für Rentner ist, nicht für Leute wie mich?«
    »Eines Tages wirst du es dir anders überlegen«, beharrte er. »Eines Tages wirst du endlich die Zeit haben, zu reisen und die Leute zu sehen, die dir etwas bedeuten. Du könntest – ich wage kaum, es auszusprechen – zur Abwechslung mal sogar das Leben genießen.«
    Wehmütig blickte sie aus dem Fenster, als sei sie mit ihren Gedanken ganz weit weg.
    Sie verschwieg ihm etwas, und zwar etwas Wichtiges, darauf wäre Jake jede Wette eingegangen.
    Ein anderer Mann vielleicht? Jemand von früher, der ihr das Herz gebrochen hatte? Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Es passte einfach nicht zu ihr. Eloise war nicht die Frau, die sich bei Problemen mit einem großen Glas Nutella und einer Wodkaflasche unter der Bettdecke verkriecht.
    Warum nur ertappte er sich bei dem Wunsch, unbedingt erfahren zu wollen, was sie gerade dachte? Weshalb sie plötzlich so wehmütig und distanziert wirkte?
    Wenn er den Mut gefunden hätte zu fragen, hätte er die Überraschung aller Zeiten erlebt. Denn sie dachte an ihn. Daran, wie lange es her war, dass sie wie eine richtige Frau zum Essen ausgeführt und verwöhnt worden war. Den ganzen Tag war sie von Akademikern umgeben, die sich dennoch nur unhöflich, launisch, aggressiv und des Öfteren auch, sowohl ihr gegenüber als auch hinter ihrem Rücken, bösartig verhielten. Und hier saß sie mit einem verurteilten Straftäter aus dem verrufensten Viertel der Stadt, einem Mann, der immer der Inbegriff eines Gentlemans gewesen war, an einem Tisch.
    Hatte er bemerkt, wie sehr sie sich über den wunderschönen Blumenstrauß gefreut hatte? Absurd teuer, wie ihr klar war, und er konnte es sich doch nicht leisten. Und trotzdem war sie ihm die Investition wert gewesen. Jake, dachte sie und trank noch einen Schluck Wein, war einfach charmant. Das war das Wort, das ihn am besten beschrieb. Einfach … charmant.
    Im nächsten Moment läutete ihr Telefon. Natürlich die Post , wer sonst?
    »Lass die Mailbox rangehen«, wies er sie streng an. »Herrje, nimm dir eine Stunde Zeit, um in Ruhe zu essen. Dann kannst du denjenigen ja zurückrufen. Du hast doch sicherlich ein Recht auf eine Essenspause. Mein Gott, die kriegt man sogar im Knast.«
    Sie sah ihn an und überlegte kurz, als wöge sie die verschiedenen Möglichkeiten gegeneinander ab. Dann lächelte sie schief, schaltete das Telefon ab und griff hungrig zu.

Teil drei – Eloise

Kapitel neun
    Gute Nachrichten: Lily hat endlich

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