Der Magier von Fairhaven
nächsten Sitzung einen entsprechenden Vorschlag machen und Euch beauftragen – selbstverständlich unter meiner Führung –, einen geeigneten Plan auszuarbeiten?«
»Natürlich.« Anya beugte sich vor und berührte seine Wange. »Ihr seid so verständnisvoll, Cerryl. So verständnisvoll.«
»Wir geben uns eben Mühe, Anya. Wir geben uns alle Mühe.«
»Ihr braucht einen guten Kommandanten«, fuhr sie lächelnd fort. »Ich würde die Aufgabe übernehmen, aber Ihr wisst ja, wie Seeleute über Frauen an Bord ihrer Schiffe denken. Deshalb werde ich von Fairhaven aus tun müssen, was notwendig ist.«
»Ihr habt jetzt schon viel getan«, sagte Cerryl vorsichtig.
»Das Einzige, was mich stört … Cerryl …«
»Ja?«
»Es wäre schön gewesen, wenn Ihr es mir rechtzeitig gesagt hättet.«
Der Erzmagier setzte ein Lächeln auf, das mindestens so strahlend und falsch war wie das ihre. »Aber das habe ich doch getan, Anya. Weder Redark noch Kinowin sind über die Einzelheiten, die wir gerade erörtert haben, im Bilde. Schließlich war ich der Ansicht, dass Ihr Euch sehr für diese Angelegenheit interessiert, und deshalb wollte ich keinesfalls vorher mit jemand anders eingehend darüber sprechen.«
»Ihr seid äußerst verständnisvoll, Cerryl. Meine Freunde werden sich freuen.« Sie trank noch einen Schluck Wein. »Alle meine Freunde in der Gilde.«
»Das will ich doch hoffen. Zudem hoffe ich, Eure Freunde in der Gilde und unter den Kaufleuten werden Verständnis dafür haben, dass ein solcher Feldzug eine Menge Goldstücke kosten wird.«
Irgendetwas flackerte in Anyas Gesicht auf, als Cerryl die Kaufleute erwähnte, aber sie beherrschte sich sofort wieder. »Goldstücke … Gold kann morgen schon verschwunden sein. Niemand wird sich dann noch erinnern, wie Ihr das Gold aufgetrieben habt, Cerryl. Man wird sich nur an das erinnern, was Ihr mit dem Gold getan habt.« Anya stand auf. »Aber ich will Euch nicht länger belästigen.«
Im Augenblick nicht, aber das wird sich ändern … Cerryl stand auf.
Nachdem die rothaarige Magierin gegangen war, drehte er sich wieder zum Fenster um und blickte zur Weißen Stadt hinaus. War es immer so? Niemand bedachte die Kosten, die den Arbeitern, Handwerkern und Händlern auferlegt wurden, niemand dachte an die Männer und Frauen, die sterben mussten. Stets ging es nur um großartige Taten und die Beteiligten waren entweder Helden oder ebenso große Schurken. »Natürlich … die Menschen ändern sich nicht.«
Die schwere Tür wurde geöffnet und Leyladin betrat das Turmzimmer. .
»Ich kann deine Freundin riechen. Ich wäre schon früher gekommen, aber ich wollte bei mir behalten, was ich gegessen habe.«
»Ich habe nur Wasser getrunken«, sagte Cerryl.
»Sie wird mir immer unangenehmer.« Leyladin presste die Lippen aufeinander.
»Ich weiß.« Cerryl seufzte. »Ich weiß. Ich bemühe mich, so gut wie möglich damit umzugehen.«
»Willst du sie aufs Flaggschiff setzen?«
»Sie hat mir zu verstehen gegeben, dass sie nicht gehen würde und dass ihre vielen Freunde sie darin unterstützen würden. Ich setze Fydel auf das Schiff und ein paar ihrer Anhänger auf die anderen. Wenn ich doch auch Disarj mitsegeln lassen könnte, oder …«
»Es wäre besser, wenn sie selbst mitfahren würde«, unterbrach Leyladin ihn, »aber wie du selbst immer sagst, muss man sich mit dem Möglichen abfinden.«
»Das bedeutet nicht, dass man nicht auf mehr hoffen darf.«
»Myral hatte gehofft, aber er wurde enttäuscht.« Die Anspannung wich ein wenig aus ihren Gesicht. »Aber du hast jetzt schon erheblich mehr erreicht, als er sich je vorgestellt hätte.«
»Ich glaube, eher weniger.«
»Dann wirst du es nachholen … sobald du Anya gebändigt hast.« Die Heilerin nahm Cerryls Hände und drückte sie sanft mit ihren kühlen Fingern.
Wenn ich nur irgendwie mit Anya und ihren vielen Anhängern zurande komme …
XCVIII
I m Zwielicht des Spätsommerabends ging Cerryl leise durch die Straße, halb hinter dem Blendschirm verborgen. Die Kopfschmerzen, die ihm der leichte Regen am Nachmittag beschert hatte, waren noch nicht völlig abgeklungen. Er stieg die Treppe hinauf und betrat den Goldenen Widder. Sich dicht an der Wand haltend, durchquerte er die Gaststube und stieg die Treppe zum ersten Stock hinauf. Durch eine Tür, die ein Stück offen stand, betrat er ein Nebenzimmer.
Fünf Magier saßen am Tisch, je zwei links und zwei rechts von Anya, der Platz ihr gegenüber war
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