Der Magier von Fairhaven
langsamer und blieben schließlich stehen, als sie sich sechs Lanzenreitern mit blank gezogenen Klingen gegenübersahen.
Der Mann mit der Weste und dem roten Bart wandte sich an Cerryl. »Euer Lanzenreiter dort … er hat die Klinge gezogen und mich bedroht. Er sagte, wenn er meine Tochter nicht haben könnte … wenn sie ihm nicht gefügig wäre … dann würde er uns beide töten.«
Cerryl betrachtete den halb entkleideten Lanzenreiter, der inzwischen den Säbel weggesteckt hatte.
»Das ist eine Lüge«, rief der Kämpfer. »Ser«, fügte er eilig hinzu, als er den weißen Mantel sah.
»Er sagte, er würde uns beide töten, ich schwöre es«, beharrte der Mann mit dem Krausbart und den goldenen Ohrringen.
Hinter den beiden tauchten jetzt zwei weitere Lanzenreiter auf, die eine Frau mitzerrten.
»Was habt Ihr zu sagen?« Cerryl heftete die Augen auf den ersten Lanzenreiter.
»Sie lügen. Sie ist eine Dirne und eine Taschendiebin und …«
»Seht Ihr diesen Schnitt? Seht Ihr das, Ser Magier?«, unterbrach sie der Mann mit der Weste, indem er auf einen kleinen Schnitt auf dem Kinn deutete, aus dem Blut auf einen schmutzigen braunen Mantel und ein fleckiges Hemd tropfte, das früher einmal aus weißer Seide bestanden haben mochte. »Das hat mir Euer Lanzenreiter angetan.«
Cerryl betrachtete die Frau, die von zwei Lanzenreitern zu Cerryl und den Unteroffizieren halb geschleppt und halb getragen wurde. Einer der Lanzenreiter, der die Frau mitschleifte, starrte ständig in ihren offenen Mantel und auf die zerfetzte Bluse, aus der halb entblößte, volle Brüste hervorschauten.
»Er wollte mich töten«, beharrte der Bärtige.
»Sie … sie hat sich angeboten … dann wollten sie mich töten …«, stammelte der dergestalt beschuldigte Lanzenreiter, indem er zwischen dem Bärtigen und der Frau hin und her sah.
Cerryl konzentrierte sich jetzt auf die Frau. »Hast du die Geldbörse des Lanzenreiters gestohlen?«
»Ich habe nichts gestohlen.«
»Hast du dich ihm gegen Geld angeboten?«
»Er hat mich gezwungen.« Die Frau richtete sich auf, so weit es ihr zwischen den beiden Lanzenreitern möglich war.
»Sie hatte ein Messer, Ser«, fügte einer der beiden, die sie hielten, hinzu.
»Was ist mit dem Messer?«, fragte Cerryl.
»Ich hatte kein Messer. Was könnte ich mit einem Messer schon gegen so einen Gewalttäter ausrichten?«
Müde lächelnd wandte Cerryl sich an die Lanzenreiter. »Bringt sie dort mitten auf die Straße. Lasst sie dann los und zieht euch von ihr zurück.«
Die Männer sahen einander an, dann schleppten sie wie befohlen die Frau auf die Straße und gaben sie frei.
Cerryl sammelte Chaos-Energie um sich und schleuderte fast verächtlich eine Ladung gegen die Frau, die mit einem Zischen in einer lodernden Flamme verging.
Der Mann mit der grünen Weste riss sich los und wollte wegrennen.
Trotz seiner Kopfschmerzen konzentrierte Cerryl sich noch einmal.
Eine zweite Feuerkugel flog und auf der Straße lag ein zweiter verkohlter Haufen, der sich langsam zu weißer Asche auflöste.
Schließlich wandte Cerryl sich an den ersten Lanzenreiter, der wie betäubt vor ihm stand. »Sie haben gelogen. Auch du hast gelogen, aber nicht so schlimm wie sie. Wenn ich dich noch einmal dabei erwische, wird es dir ergehen wie ihnen.« Dann waren die beiden unbekannten Lanzenreiter an der Reihe. Wahrscheinlich stammten sie aus Fydels Truppe, weil Cerryl sie nicht kannte. »Sagt dies euren Kameraden.«
»Ja, Ser.«
Cerryl sah Ferek und Hiser einen Augenblick lang scharf an, bevor er den Wallach zum Hügel lenkte, auf dem ihre Quartiere lagen.
»Bei der Dunkelheit, du hast Glück …«
»… hätte auch dich erwischen können …«
»Gerecht … das ist er … und kalt wie die Westhörner.«
Kalt? Cerryl hätte beinahe frustriert gelacht. Du wirst der unbeliebteste Magier in ganz Candar, wenn das so weitergeht. Oder mindestens belegst du gleich hinter Jeslek einen guten zweiten Platz.
Er beugte sich vor und klopfte dem Wallach auf den Hals. Pferde gaben wenigstens keine Widerworte und tuschelten nicht hinter seinem Rücken. Jedenfalls hatte sein Pferd bisher noch nichts in dieser Art versucht.
XXXV
D as Chaos bewirkt für sich genommen weder Wohlstand noch Armut. Das Chaos gewährleistet lediglich das Leben selbst, während ein Übermaß an Ordnung zum Tod führ. Der Mensch ist seinem Wesen nach aus Chaos und nicht aus der Ordnung gemacht, denn der Mensch ist ebenso lebendig wie das Chaos. Das
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