Der magische Pflug
konnte nur Ärger bedeuten. Jetzt würden die Leute kommen. Sie würden die Leiche auf der Straße finden – sie würden zum Gasthof kommen. Es war nicht nötig, daß Alvin hierblieb, um sie zu begrüßen.
Im Gasthof kniete Peggy bereits neben der Leiche ihrer Mutter, schluchzend und keuchend von dem schnellen Lauf zum Haus. Alvin erkannte sie nur an ihrem Kleid – ihr Gesicht hatte er nur einmal zuvor gesehen, eine Sekunde lang in der Schmiede. Als sie Alvin eintreten sah, wandte sie sich von ihm ab. »Wo warst du! Warum hast du sie nicht gerettet! Du hättest sie retten können!«
»Das hätte ich nicht«, sagte Alvin. Es war ungerecht von ihr, so etwas zu sagen. »Die Zeit hat nicht gereicht.«
»Du hättest nachsehen sollen! Du hättest sehen müssen, was kommen würde!«
Alvin verstand sie nicht. »Ich kann nicht sehen, was kommt«, widersprach er. »Das ist deine Gabe.«
Dann brach sie in Tränen aus, nicht jenes trockene Schluchzen wie gerade eben, als er eingetreten war, sondern das tiefe, herzzerreißende Geheul der Trauer. Alvin wußte nicht, was er tun sollte.
Hinter ihm ging die Tür auf.
»Peggy«, flüsterte Horace Guester. »Kleinpeggy.«
Peggy sah zu ihrem Vater auf; ihr Gesicht war so tränenüberströmt und verzerrt und vom Weinen gerötet, daß es ein Wunder war, wie er sie erkannt hatte. »Ich habe sie umgebracht!« rief sie. »Ich hätte nie davongehen sollen, Papa! Ich habe sie umgebracht!«
Erst da begriff Horace, daß dort am Boden die Leiche seiner Frau lag. Alvin sah, wie er anfing zu zittern, wie er stöhnte, und wie er schließlich laut und hoch wimmerte wie ein verletzter Hund. Noch nie hatte Alvin solche Trauer gesehen. Ob mein Vater so geweint hat, als mein Bruder Vigor starb? Hat er auch so einen Ton von sich gegeben, als er glaubte, daß ich und Measure von den Roten zu Tode gemartert worden waren?
Alvin legte Horace fest den Arm um die Schulter; dann führte er ihn zu Peggy hinüber und half ihm dabei, neben seiner Tochter niederzuknien, beide weinend, beide kein Anzeichen davon gebend, daß sie einander bemerkten. Alles, was sie sahen, war Old Pegs Leiche auf dem Boden; Alvin konnte nicht einmal ahnen, welche quälenden Selbstvorwürfe die beiden sich machten.
Nach einer Weile traf der Sheriff ein. Er hatte bereits den Leichnam des schwarzhaarigen Suchers draußen entdeckt, und es dauerte nicht lange, bis er begriff, was geschehen war. Er nahm Alvin beiseite. »Das war reine Selbstverteidigung«, sagte Pauley Wiseman, »und dafür würde ich dich keine drei Sekunden ins Gefängnis sperren. Aber ich kann dir sagen, daß das Gesetz von Appalachee den Tod eines Suchers nicht auf die leichte Schulter nimmt, und der Vertrag erlaubt es ihnen, hierher zu kommen und dich abzuführen, um dich dort vor Gericht zu stellen. Womit ich sagen will, Junge, daß du lieber zusehen solltest, daß du in den nächsten paar Tagen verschwindest, sonst kann ich nicht für deine Sicherheit garantieren.«
»Ich wollte sowieso gehen«, erwiderte Alvin.
»Ich weiß ja nicht, wie du das gemacht hast«, sagte Pauley Wiseman, »aber ich schätze, du hast diesen halbschwarzen Bimbo heute nacht aus der Gewalt der Sucher befreit und ihn irgendwo hier versteckt. Eins sage ich dir, Alvin, wenn du gehst, solltest du diesen Jungen lieber mitnehmen. Bring ihn nach Kanada. Aber wenn ich ihn jemals wieder zu Gesicht bekomme, verfrachte ich ihn persönlich in den Süden. Dieser Junge ist an allem schuld – mir wird schlecht bei dem Gedanken, daß eine gute weiße Frau wegen so eines halbschwarzen Mischlings sterben mußte.«
»So etwas solltet Ihr in meiner Gegenwart lieber nicht noch einmal sagen, Pauley Wiseman.«
Der Sheriff schüttelte nur den Kopf und ging davon. »Unnatürlich ist so etwas«, sagte er. »Wie ihr Leute euch auf so einen Affen stürzen könnt, als wäre es ein Mensch.« Dann drehte er sich noch einmal zu Alvin um. »Es ist mir ziemlich egal, was du von mir hältst, Alvin Smith, aber ich werde dir und diesem Mischlingsjungen noch eine Chance zum Überleben geben. Ich hoffe, du bist klug genug, sie zu nutzen. Und in der Zwischenzeit könntest du dir ruhig mal das Blut abwaschen und dir ein paar Kleider besorgen.«
Alvin ging wieder hinaus auf die Straße. Inzwischen kamen auch andere Leute herbei – er beachtete sie nicht. Nur Mock Berry schien zu begreifen, was vorgefallen war. Er führte Alvin zu seinem eigenen Haus, und dort wusch Anga ihn, und Mock gab ihm ein paar von seinen
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