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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif
Autoren: Guillaume Prévost
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ihm über den Mund.
    »Es wird nur ein paar Minuten dauern«, versicherte er ihm. »Dann wird dich jemand befreien.«
    Vorsichtshalber drehte er die Kassette im Rekorder um und drückte auf »play«. Bei den ersten Klängen schnappte er sich die Streichholzschachtel und nahm das runde Metallstück heraus. Eine unauffällige gelbliche Münze, bis auf das obligatorische Loch in der Mitte ... Er steckte sie in die Tasche, ließ die Pistole in seine Hose rutschen, dann schlich er aus dem Zelt, ohne sich noch einmal umzudrehen.

6 .
    Schlussfolgerungen
     
    Draußen in der lauen Nachtluft atmete Samuel erleichtert auf. Er war nicht besonders stolz auf die Art und Weise, wie er Chamberlain ruhiggestellt hatte, doch er versuchte, sich selbst damit zu beruhigen, dass er von zwei Übeln – den Unannehmlichkeiten für den Archäologen oder dem Scheitern seiner Mission – das Kleinere gewählt hatte. Als er sicher sein konnte, dass der Wachposten nicht in der Nähe herumstreifte, ging er an der Absperrung entlang bis zum dritten Zelt. Genau wie die anderen daneben war es weniger imposant als das Zelt des Ausgrabungsleiters und zu dieser Stunde natürlich in Dunkelheit getaucht. Wie würde sein Vater wohl reagieren, wenn Sam ihn aus dem Schlaf riss und ihm eine Geschichte erzählte von Reisen in die Vergangenheit und der Beeinflussung der Zukunft? Er würde sich überzeugende Argumente einfallen lassen müssen . . .
    Er presste das Ohr an die Zeltwand, doch außer den Nachtgeräuschen des schlafenden Lagers, dem Zirpen der Grillen und dem entfernten Miauen einer Katze hörte er nichts. Entweder Allan schlief oder er . . .
    Vorsichtig zog er am Zelteingang den Reißverschluss herunter und streckte seinen Kopf durch die Öffnung. Kein Laut, nicht einmal Atemgeräusche. Er zog den Goldreif hervor und ließ seinen wohltuenden Schein durch das dunkle Zelt wandern. Über den mangelnden Ordnungssinn seines Sohnes regte sein Vater sich auf, obwohl er ihm, was das Thema anging, offenbar in nichts nachstand! Auf einem Klapptisch türmten sich schmutzige Teller, dazwischen verteilten sich geöffnete Konservendosen und angebrochene Sodaflaschen, Brotscheiben, zerknitterte Zeitungen, ein Tarot-Spiel, Plastikjetons . . .
    Der Teil hinter dem Essplatz diente zum Schlafen, obwohl es eher aussah wie bei einem Händler auf dem Markt, der seine Waren auf einer Decke ausbreitet, und weniger wie ein Ort, der zum Erholen und Schlafen dienen sollte: zwei leere Betten mit zusammengerollten Schlafsäcken, dazwischen eine Reihe mehr oder weniger sorgfältig zusammengelegter und gestapelter Kleidungsstücke. An einem Rucksack lehnte eine Gitarre, in der Mitte eines vergoldeten Tabletts stand eine Wasserpfeife, drumherum ein Wasserkessel und Teegläser, ein geöffneter Koffer, aus dem Bücher und Wanderstiefel hervorquollen – seltsame Mischung -, zwei Handtücher und zwei T-Shirts trockneten an einer vom mittleren Zeltpfahl aus gespannten Leine.. . Allan und sein Zeltnachbar hatten offenbar ein ähnliches Verständnis von Ordnung . . . Und offenbar eine Vorliebe für nächtliche Ausflüge!
    »Der zweite Praktikant«, murmelte Sam, einer plötzlichen Eingebung folgend .. . Und wenn das der Tätowierte wäre?
    Eine Bemerkung seines Großvaters kam ihm plötzlich in den Sinn: Bei jenem archäologischen Praktikum in Theben vor zwanzig Jahren hatte es einen zweiten Studenten, im gleichen Alter wie Allan, gegeben, der ebenfalls auf rätselhafte Weise mehrmals aus dem Lager verschwunden war. Daraus konnte man folgern, dass sein Vater und dieser mysteriöse andere Student den Sonnenstein gemeinsam entdeckt und auch benutzt hatten – was übrigens auch erklären würde, warum ihr Zelt mitten in der Nacht leer war. Dazu würde auch die E-Mail passen, die der Tätowierte ihm noch am Morgen geschickt hatte, insbesondere seine Bemerkungen über Allan:
    Dem Armen hat es immer an Ehrgeiz gefehlt, weißt du ... Er hat nie verstehen wollen, was er da in Wirklichkeit vor sich hatte, was er hätte tun können, wenn er weniger feige gewesen wäre. Was wir hätten tun können . . . Doch er hat es vorgezogen, ein Mittelmäßiger unter Mittelmäßigen zu bleiben.
    »Was wir hätten tun können . . .« War das nicht eine versteckte Anspielung auf das, was damals geschehen war, nachdem sie den Mechanismus des Sonnensteins verstanden hatten und ihnen beiden die unglaubliche Tragweite seiner Möglichkeiten bewusst geworden war? Und die enormen Vorteile, die sie daraus ziehen
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