Der magische Wald
Einwohner versuchten zu retten, was noch zu retten war. Es war erschreckend zu sehen, wie die Fuchsmänner sich durch den Wald bewegten. Sie schienen nur aus Knochen, Muskeln und Sehnen zu bestehen, bewegten sich ausdauernd und unermüdlich wie Wölfe und völlig geräuschlos. Sie schritten in mehreren Reihen parallel zueinander durch den Wald, die gefangenen Frauen jeweils in der Mitte. Die Frauen waren jetzt still. Ihre Augen waren rotgeweint, ihre Gesichter rauchgeschwärzt. Resigniert folgten sie ihren Bewachern, als seien sie zu schockiert oder zu müde, um etwas anderes zu tun. Wenn eine von ihnen stolperte, half ihr ein Bewacher meist mit einer schnellen Armbewegung wieder auf die Beine. Manchmal wurde sie allerdings einfach an ihrer zerfetzten Kleidung hochgerissen. Niemand sprach ein Wort. Wie ein Windhauch bewegten sie sich durch den Wald. »Michael. Michael Fay.« Ein Flüstern wie das Summen einer Biene an seinem Ohr. Er drehte den Kopf und erblickte das Schillern einer Libelle, die auf seiner Schulter saß. Er zuckte zusammen und wollte sie gerade abstreifen, als die dünne Stimme wieder erklang. »Ich bin es, du Narr, Mirkady.« »Mirkady! Zum Teufel noch mal!« »Nicht so laut. Diese Stammesleute haben Ohren wie Luchse. Und sie mißtrauen den Wyrims fast so sehr wie die Dorfbewohner.« »Was gibt es? Was willst du?« »Ich will dir noch ein paar Ratschläge geben. Ich gehe jetzt. Du scheinst ein paar neue Freunde gefunden zu haben, und sie werden dir nützlicher sein, als irgend jemand vom Waldvolk es jemals sein könnte. Hörmir jetztzu. Catist verschwunden.« »Ich weiß. Wohin?« »Sie holt deine Stute. Sie wird weiter vorne im Wald auf euch warten. Aber ich muß dir etwas sagen: ihr werdet gejagt. Meine Leute haben im Wald Dinge gespürt, die hinter euch her sind. Und der Schwarze Reiter ist in der Nähe. Du wirst beobachtet, kleiner Michael, und Cat ebenso. Und solange sie bei dir ist, ist sie auch nur ein Mensch — jedenfalls in fast jeder Hinsicht. Ihr müßt vorsichtig sein. Lerne soviel wie möglich von den Fuchsleuten. Sie sind treu bis in den Tod und das tapferste Volk im Wildwald. Das liegt an ihrer Abstammung.« Er schwieg einen Moment. »Es gibt Magie an diesem Ort, Michael. Der Wildwald ist voll davon. Nur in den Zufluchtsorten der Brüder, die von Kreuzen beschirmt sind, bist du sicher. Denk an das Dorf, das hinter dir liegt: wenn der Priester tot ist, wird morgen bei Sonnenaufgang die Hälfte der Überlebenden Aas sein.« »Warum?« Wenn man sagen kann, daß eine Libelle mit den Schultern zuckt, dann tat es diese hier. Ihre Augen funkelten wie ein Prisma im Licht. »Rache vielleicht. Sogar mein eigenes Volk wird froh sein, daß wieder ein Stück Wald zurückerobert wurde, daß der Kreuzzauber erloschen ist. Die Bestien werden heute nacht über sie kommen.« »Und du?« »Ich bin manchmal furchtbar weichherzig. Das kommt davon, wenn man Halblinge wie deine Catherine ins Herz geschlossen hat.« »Mirkady, es gibt Dinge, die ich wissen muß. Ich bin sicher, daß es einen Grund dafür gibt, daß ich hier bin.« »O ja. Nichts geschieht ohne Grund.« »Der Schwarze Reiter. Folgt er mir?« »Zweifellos.« »Aber ...« »Ich muß jetzt gehen, kleiner Michael. Ich bin kein Seher, den man zu den Geheimnissen des Wildwaldes befragen kann. Nicht einmal die Wyrims wissen alles. Manche Dinge mußt du selbst herausfinden. Ich werde ein paar von meinen Leuten den Auftrag geben, euch im Auge zu behalten, wenn ich kann, und auch einmal selbst nach euch sehen. Aber dieses Schwert, das du trägst -du lernst besser, damit umzugehen. Eisen ist der zuverlässigste Todbringer in diesem Land, zuverlässiger noch als dieser donnernde Feuerstock, den du trägst. Und vergiß nicht, daß Stechginster und Wolfsmilch deine Freunde sind. Auch Hahnenfuß. Es hält die Hexen in Schach. Und Schafgarbe heilt Wunden, die Eisen schlug. Denk an diese Dinge, Michael.« Die Libelle schlug schwirrend die Flügel. »Mirkady, warte noch eine Sekunde ...« Das Insekt erhob sich, schlug schelmisch die Flügel und flog hinauf zu den Wipfeln der hochragenden Bäume.
Nach ungefähr drei Meilen trafen sie auf Cat. Sie stand zwischen Fancy und dem gestohlenen Wallach. Ein warmer Sonnenstrahl fiel durch die Bäume auf das Trio. Sie wirkten wie ein goldenes Altarbild aus einem anderen Zeitalter. Aber dann verblaßte die Sonne, und er sah den Schmutz auf ihren Wangen und ihrem Wams. Sie lächelte. »Jetzt werden wir stilecht
Weitere Kostenlose Bücher