Der magische Zirkel - Der Abgrund: Band 4 (German Edition)
bedauernswertes Mädchen«, riet sie ihm und wandte sich dann abrupt an Cassie. » Ich muss mit dir reden.« Faye war wie fast immer ganz in Schwarz gekleidet, aber heute war ihr Outfit noch enger und freizügiger als sonst.
Cassie nickte Melanie und Laurel zu. » Schon okay«, sagte sie. » Geht schon mal in die Aula, wir sehen uns dort.«
Sie hatte sich fest vorgenommen, Faye gegenüber keine Angst zu zeigen, egal was geschah. Sie würde sich einfach keine Angst erlauben. Erst recht nicht in der Schule, wo genügend Leute um sie herum waren, die sie gegen Fayes Gemeinheiten schützen würden.
Faye kam natürlich sofort zur Sache. » Ich weiß, du hast wenig Erfahrung als Anführerin«, eröffnete sie Cassie. » Aber selbst du solltest erkennen, dass du so was wie Fairness nicht lange durchhalten wirst.«
» Ich weiß nicht, wovon du redest.«
Faye lachte spöttisch, als sei es absurd, ihre Aussage genauer erklären zu müssen. » Spiel nicht das Unschuldslamm, Cassie. Das funktioniert bei mir nicht.«
Cassie blickte den inzwischen leeren Flur entlang und stemmte die Hände in die Hüften. » Wenn du mir wirklich etwas zu sagen hast, Faye, dann sag es. Aber wenn du mich nur einzuschüchtern versuchst, dann vergiss es.«
» Lügnerin.« Faye streckte die Hand aus, um Cassie ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht zu streichen, und Cassie wich einen Schritt zurück.
Faye lächelte. » Hör mir gut zu: Wer Macht hat, hat immer auch Feinde. Macht trennt die Menschen voneinander in Gut und Böse. Wenn du wirklich eine Anführerin dieses Zirkels sein willst, musst du dich für eine Seite entscheiden.«
Cassie erinnerte sich an Dianas Worte, dass Macht nur Macht sei – es gebe keine gute oder böse Macht. Nur die Art, wie wir sie benutzen, ist gut oder böse, hatte sie erklärt. Aber selbst Diana hatte ihre Meinung darüber geändert.
» Ich habe mich bereits für eine Seite entschieden«, entgegnete Cassie.
Der Sternrubin um Fayes Hals glitzerte. Er hatte die gleiche Farbe wie ihr Lippenstift. » Nein, hast du nicht«, widersprach sie. » Da ist etwas in dir, das dich spüren lässt, dass du die Tochter deines Vaters bist. Ich weiß, dass du diese dunkle Seite spürst.«
Cassie drückte ihre Bücher fester an die Brust. » Du weißt gar nichts.«
» Ist es nicht anstrengend, ständig Diana nachzueifern, obwohl du in Wirklichkeit so bist wie ich?«
» Nein. Denn ich bin nicht wie du.«
Faye stieß ein tiefes, kehliges Lachen aus und trat einen Schritt zurück. Sie hatte erreicht, was sie wollte. Cassie war gründlich verunsichert.
» Beeil dich«, sagte sie. » Du willst doch nicht zu spät zur Morgenandacht kommen, oder?« Sie holte einen Lippenstift aus ihrer Tasche und zog sich die Lippen nach. » Willst du auch?« Sie hielt Cassie den blutroten Stift hin. » Die Farbe würde dir stehen.«
Zornig überlegte Cassie, Faye den Lippenstift aus der Hand zu schlagen. Aber dann hätte Faye sie genau da, wo sie Cassie haben wollte. Faye wollte Cassies niederste Instinkte wecken, damit sie genauso gemein und rücksichtslos handelte wie sie selbst.
Aber Cassie beherrschte sich und machte stattdessen auf dem Absatz kehrt. Da sah sie den Jungen. Faye bemerkte ihn ebenfalls.
Gemeinsam beobachteten sie, wie er den Flur entlangkam. Sie hatten ihn noch nie zuvor gesehen. Er war groß und muskulös und hatte hellbraunes Haar. Offenbar hatte er gerade sein Training beendet, denn er trug Sportsachen und Turnschuhe. In einer Hand hielt er eine Trainingstasche, in der anderen einen Lacrosse-Stock.
» Toller Typ.« Mit einem Klicken setzte Faye die Kappe auf ihren Lippenstift und stopfte ihn in ihre Tasche zurück. » Du weißt ja, wie sehr ich auf diese verschwitzten sportlichen Typen stehe.«
Cassie verdrehte die Augen.
Faye verlor keine Zeit, um ihr Territorium zu markieren. Sie trat in die Mitte des Flurs und versperrte dem Jungen den Weg. » Hast du dich verlaufen?«, fragte sie ihn. » Kann ich dir vielleicht helfen?«
Er schaute auf. Cassie sah, dass seine Augen vom gleichen schönen Smaragdgrün waren wie die Dianas.
» Nein, danke«, sagte er schroff und etwas überheblich. » Ich kenne den Weg.«
» Doch nicht etwa zu dieser langweiligen Morgenandacht?« So schnell gab Faye nicht auf. » Wenn das so ist, helfe ich dir gern, dich zu verlaufen.«
Das entlockte ihm ein Lächeln. Aber er schenkte es Cassie. » Hi«, begrüßte er sie. » Ich bin Max.«
» Das ist Faye.« Cassie erwiderte Max’ Grinsen. »
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