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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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extrem er sich auf Kariannes Wohlergehen konzentriert hatte. All die Kontrollanrufe, um sich zu vergewissern, dass der Schwiegersohn auch wirklich treu und zuverlässig die Stafette übernommen hatte. Doch lange davor, irgendwann in der allertiefsten Verzweiflung, war Reinhard über das Ziel hinausgeschossen, hatte das Schicksal selbst in die Hand genommen und verwirklicht, was durch Gebete nicht wahr werden wollte. Er hatte Leben genommen, um Leben zu retten, aber dabei hatte er es nicht bewenden lassen. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, dass seine Tochter ein glückliches Leben haben sollte, koste es, was es wolle, und räumte deshalb alles aus dem Weg, was ihr dabei hinderlich sein mochte. Erst jetzt dämmerte Niklas, dass auch er selbst vom ersten Tage an einer gründlichen Analyse unterzogen worden war. Dass Karianne seinen Heiratsantrag angenommen hatte, war einzig und allein Reinhards Einverständnis geschuldet. Wenn er irgendwo einen Fehler begangen und Karianne nicht so glücklich gemacht hätte, wie sie es nach Meinung ihres Vaters verdiente, hätte ihn das Unheil wohl auch ereilt. Auf die eine oder andere Art.
    Bei dem Gedanken, wie Reinhard ihn kalt und zynisch aus dem Weg geräumt hätte, wenn er der Überzeugung gewesen wäre, Karianne damit einen Dienst zu erweisen, wurde er fuchsteufelswild.
    Als er zum zweiten Mal an diesem Abend vor dem Haus, in dem Karianne aufgewachsen war, vorfuhr, war ihm sein Schwiegervater fremd geworden, ein kalter, psychopathischer Mörder, der die Strafe und die Erniedrigung verdiente, die ihn erwarteten.
    Er machte die Scheinwerfer aus, als er auf den Hof bog, und ließ das Auto bis vor den nicht mehr genutzten Viehstall rollen, wo er den Wagen so abstellen konnte, dass er vom Wohnhaus aus nicht zu sehen war. Der erste Schnee ließ noch immer auf sich warten, und der schwache Schein aus den erleuchteten Fenstern wurde wenige Meter vor dem Haus von der Dunkelheit geschluckt. Niklas war schon auf halbem Weg zum Haus, als ihm ein Gedanke kam. Reinhard war alles andere als kränklich und schwach, und sobald er wusste, dass sich die Indizien zu unwiderlegbaren Beweisen gewandelt hatten, würde er kaum zögern, zum Gegenangriff überzugehen. Seine Dienstwaffe hatte Niklas nicht eingesteckt, also musste der Schraubenschlüssel aus der Werkzeugtasche herhalten. Es kam ihm unwirklich vor, sich gegen seinen eigenen Schwiegervater zu bewaffnen, trotzdem schob er den Schraubenschlüssel in die Hosentasche. Denn es gab keine ungeklärten Details mehr, alles deutete nur noch auf Reinhard hin. Er hatte einem sechzehnjährigen Jungen, der Karianne sein Interesse allzu unverblümt gezeigt hatte, das Bein gebrochen. Wahrscheinlich hatte sie eine Bemerkung fallen lassen, dass sie nicht interessiert sei und dass der Junge es nicht kapierte. Und in der Zeit davor hatte er ihr geschrieben, hatte sich als anonymer Verehrer ausgegeben und sie mit Komplimenten überschüttet. Niklas wurde ganz schlecht bei dem Gedanken, dass sein Schwiegervater Briefe mit der eigenen Tochter gewechselt hatte, dass Karianne ihre Jungmädchenträume auf etwas aufgebaut hatte, was in Wirklichkeit von ihrem eigenen verrückten Vater kam.
    Niklas schlich sich von hinten an das Haus heran und warf einen Blick durch das erleuchtete Wohnzimmerfenster. Reinhard saß ruhig wippend in seinem Schaukelstuhl und hatte etwas auf dem Schoß liegen, was wie eine Fernbedienung aussah. Aus irgendeinem Grund hatte Niklas erwartet, ihn in voller Aktivität vorzufinden, doch andererseits brauchte er ja keinen Beweis mehr dafür, dass die ganze Krankheit nur inszeniert gewesen war. Er hatte es schließlich mit Reinhard zu tun.
    Niklas machte die Haustür auf und betrat lautlos den Flur. Sein Puls hämmerte so heftig gegen das Trommelfell, dass er einen wahnwitzigen Moment lang glaubte, das Geräusch müsse bis ins Wohnzimmer dringen und ihn verraten. Vor der Küchentür blieb er stehen. Er spürte ein leichtes Vibrieren in seiner Hosentasche – eine neue SMS war gekommen. Wieder Lind, der ihn fragte, wo er sich aufhielt und was eigentlich los war. Was los war? Er war dabei, einen verrückten Mörder zu überführen, der drei Menschenleben auf dem Gewissen hatte, einen Mörder, der zufällig sein eigener Schwiegervater war
und der mit seinen barbarischen Taten dafür gesorgt hatte, dass Karianne heute lebte und atmete und seine Frau war. Er riss die Tür auf, ohne anzuklopfen, und blickte in das Wohnzimmer, wo nur noch ein leerer

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