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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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Schaukelstuhl vor und zurück wippte. Niklas erstarrte und stierte auf den Stuhl, bis er aufgehört hatte zu schaukeln. Dann schob er die Hand in die Tasche, schloss sie um den Schraubenschlüssel und ging in die Küche. Hatte das Wohnzimmer einen zweiten Ausgang, so dass Reinhard ihn am Ende von hinten überraschen konnte? Er glaubte es nicht, es sei denn, sein Schwiegervater war aus dem Fenster geklettert. Das angstvolle Hämmern in Kopf und Brust wuchs sich zu einem regelrechten Getöse aus. Trotzdem blieb er wie gelähmt stehen, während seine Gedanken auf Hochtouren liefen.
    Plötzlich stand Reinhard vor ihm und hielt ihm ein Messer an die Kehle.

38

    Karianne zuckte zusammen. Ihre vage Besorgnis wurde langsam zu der Gewissheit, dass hier irgendetwas faul war. Sie warf einen Blick über die Schulter – ein geradezu absurder Reflex, denn sie war schließlich in ihrem eigenen Zuhause. Trotzdem kam es ihr vor, als säße sie in beißend kalter Zugluft, die sie aufrütteln und vor irgendetwas warnen sollte. Sie stand auf, holte sich eine Tasse Kaffee, auf die sie eigentlich gar keine Lust hatte, und starrte dann aus dem Küchenfenster. Niklas’ Andeutungen waren ebenso ungeheuerlich wie kränkend, und sie hatte sie insgeheim seiner offensichtlichen Furcht vor dem bevorstehenden Eingriff zugeschrieben. Sie befürchtete, dass Niklas’ Unterstellungen mehr über seinen eigenen Geisteszustand aussagten, als sie sich eingestehen wollte. Da brauchte er kaum ein paar Wochen, um einen fünfundzwanzig Jahre alten Fall eines verschwundenen Mädchens zu lösen: Seine eigene Frau war das Motiv und sein Schwiegervater der Täter, ein Schwiegervater, zu dem er jahrelang ein eher angestrengtes Verhältnis gehabt hatte. Sie versuchte, das Unbehagen abzuschütteln, doch sie kam nicht zur Ruhe. Sie blieb noch eine Weile sitzen – ihr kam es vor wie eine Viertelstunde, es hätte aber genauso gut eine halbe Minute sein können –, doch dann befiel sie wieder dieselbe Unruhe. Und diesmal hatte sie das konkrete Gefühl, dass etwas sie umgab, näher auf sie zukroch – und sie begriff, dass sie in Gefahr war.

39

    Niklas spürte, dass es ein kleines Messer war. Er sah Reinhard in die aufgerissenen Augen. Der ferne, erschöpfte Blick war wie weggeblasen, und die Hand, die das Messer hielt, alles andere als kraftlos und schwach. »Niklas? Verdammt, was hast du mich erschreckt!« Reinhard ließ die Hand sinken und schnaufte tief wie nach einer großen Kraftanstrengung. »Mach so was bloß nicht noch mal.« Er warf das Messer auf die Küchenplatte und schlurfte schweren Schrittes auf seinen Schaukelstuhl zu. »Ich dachte, ich hätte ein Geräusch gehört. Da hab ich gelauscht und gemerkt, dass tatsächlich jemand da ist und dass derjenige versucht, sich in mein Haus zu schleichen.« Er atmete immer noch schwer. »Du hast mir vielleicht einen Schreck eingejagt, als du drinnen warst, weißt du. Am Anfang war ich wütend über deine ungeheuren Anschuldigungen, aber dann kam ich ins Nachdenken …«
    Niklas stand immer noch mitten im Zimmer. Er hatte sich noch nicht wieder richtig gefangen.
    »Setz dich, Niklas. Allein der Versuch, furchteinflößend auszusehen, hat mir alle Kräfte geraubt, ganz zu schweigen von der Anstrengung, die ganze Zeit dieses blöde Obstmesser mit ausgestrecktem Arm hochzuhalten.«
    Reinhard sah wirklich aus, als wäre er völlig entkräftet. »Was du mir da vorwirfst, habe ich nicht getan, Niklas.«
    »Oskar Nilssen«, sagte Niklas, der erst jetzt merkte, dass er immer noch seinen Schraubenschlüssel umklammerte.
    »Der Name sagt mir nichts.«
    »Das war einer von Kariannes Verehrern. Bis du der Sache einen Riegel vorgeschoben hast.«
    Reinhard unternahm einen schwachen Versuch, den Kopf zu schütteln. »Ich kann mich an keinen Oskar Nilssen erinnern.«
    »Du hast ihre Briefe gelesen. Du wusstest fast alles über sie.«
    »Ein paar wenige, ganz zu Anfang. Ich war nicht sicher, was ich da ins Rollen gebracht hatte, und ich dachte mir, wenn am Ende einer aus purer Gemeinheit schreibt – du weißt schon, einer, der sie einen schwächlichen Krüppel nennt oder so … das wollte ich ihr ersparen. Aber alle haben ganz respektvoll geschrieben, deswegen habe ich aufgehört, die Briefe zu lesen. Ich schwöre es dir, Niklas. Ein paar Briefe in den ersten paar Wochen. Danach habe ich nie wieder einen von Kariannes Briefen aufgemacht.«
    »Und der ausgestopfte Luchs, den du ihr geschenkt hast …«
    »Was ist mit

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