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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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Mitleid nicht allzu offensichtlich war.
    »Und du, Karianne? Du hast immerhin einen guten Job aufgegeben, als du hierhergezogen bist.«
    »Da findet sich schon noch was. Außerdem hab ich das letzte halbe Jahr sowieso schon langsam genug gehabt. Die Arbeit hat mich langsam aber sicher aufgefressen.«
    »Stress. Soll ja die neue Volkskrankheit sein. Aber wenn sie so weitermachen mit den Umstrukturierungen des öffentlichen Angebots, der Privatisierung überall … wenn sogar Arschabwischen noch als Dienstleistung ausgeschrieben wird, muss es ja so kommen. Ich bin sicher, unser guter alter Ministerpräsident Gerhardsen würde sich im Grab umdrehen …«
    Das Klingeln von Niklas’ Handy unterbrach die Moralpredigt. Das Display verriet, dass es Lind war.
    »Hallo, hier Niklas.«
    »Hier Amund. Bist du zu Hause?«
    »Wir sind bei Reinhard, Kariannes Vater.«
    »Okay. Bin in fünf Minuten da.«
    »Was ist denn? Eine neue Puppe?«
    »Schön wär’s. Ich befürchte, diesmal ist es ernst. Ich erzähl’s dir dann.«
    Die Puppen hatten einen Keim von Besorgnis in ihm gesäht, als wären sie Vorboten kommender Verbrechen. Jetzt wuchs sein Unbehagen schlagartig.
    Vielleicht ließ sich auch Amund Lind manchmal von dem einen oder anderen zwanghaften Gedanken leiten, denn er tauchte nach exakt fünf Minuten auf. Es war nichts mehr zu sehen von dem halben Lächeln, das sonst immer seine Lippen umspielte und dem Niklas entnahm, dass sein Kollege es genoss, ihn durch diese Welt der harmlosen Quasi-Verbrechen zu führen. Doch jetzt war es plötzlich ernst.
    »Dasselbe Ehepaar«, sagte Lind, während er auf die Bundesstraße brauste. »Sieht so aus, als würde alles Übel der Welt eine magnetische Anziehungskraft auf sie ausüben.« Er ließ die Sirene ein paar Sekunden aufheulen, während er einen Traktor überholte. »Sie haben eine Frau am Strand gefunden. Es steht noch nicht fest, ob sie noch am Leben ist. Wir wurden erst vom Notarzt benachrichtigt, danach hat der alte Mann sich bei uns gemeldet.«
    »Ist denn sicher, dass da ein krimineller Hintergrund besteht?«
    »Mehr oder weniger. Wenn sie sich den Schädel nicht grad selbst eingeschlagen hat.«
    »Ach so.«
    »Den Angaben des alten Mannes zufolge, wohlgemerkt. Aber da wäre noch was, wenn wir der Beobachtungsgabe seiner Frau trauen wollen.« Lind versetzte dem Lenkrad einen imaginären Faustschlag. »Die Frau trug das gleiche Kleid wie eine der Puppen, und sie hatte sogar dieselbe Haarfarbe.«
    Niklas spürte, wie ihm kleine Schauer mit Lichtgeschwindigkeit über den Rücken jagten. Hinter den Kulissen drollig dörflicher Vergehen zeigte sich langsam eine dunklere Wirklichkeit.
    »Also haben wir diese verdammten Puppen doch zu leicht genommen.« Lind reagierte seinen Ärger ab, indem er noch fester aufs Gaspedal trat.
    Sie parkten direkt oberhalb des Strandes. Niklas bemerkte, dass sich auch der schwarze Cherokee des örtlichen Lensmanns unter den an der Straße parkenden Autos befand. Auch der Notarzt war vor Ort, und er sah eine Bahre und Sanitäter zwischen den Menschen, die sich am Strand versammelt hatten. Sie trabten den Abhang hinunter und über den kompakten Sand. Niklas merkte, dass das alte Ehepaar ihnen entgegensah – denselben Polizisten, die tags zuvor nichts von der Theorie hatten wissen wollen, dass hinter den gefundenen Puppen eine Bedrohung steckte.
    Der Arzt, der sich über die Frau beugte, gab den Sanitätern ein Zeichen, und Sekunden später standen sie mit der Bahre parat. Die Frau lag auf der Seite, so dass man ihr Gesicht durch die Menschenmenge nicht sehen konnte, doch Niklas erkannte das Kleid sofort wieder. Schwarz. Wie bei der Puppe.
    Lensmann Bergithon Brocks schüttelte den Kopf. »Sie lebt«, flüsterte er, bevor er sich umsah und hinzufügte: »Aber ich glaube nicht, dass Harald besonders optimistisch ist.«
    Damit war der Arzt gemeint, der den Sanitätern mit geschickten Bewegungen half, die Frau auf die Bahre zu heben.
    »Ich glaube, ich erkenne sie wieder.« Der Lensmann flüsterte immer noch. »Von der Bank. Ellen Sowieso.«
    Der Überfall war mit Vorsatz ausgeführt worden, dachte Niklas, und die Vorwarnung hatte sie in Form einer Puppe erreicht, die sich jetzt gerade im Büro seines Kollegen befand, neben dem Miniatur- VW -Käfer hübsch auf dem Regal drapiert.
    »Höchste Zeit, den Tatort zu räumen.« Brocks scheuchte die Schaulustigen mit gebieterischer Geste zur Seite. Der Duft von Aftershave hing in der Luft wie Nebel, und das

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