Der Makedonier
Mann auf nach Pella. Er hatte es nicht eilig, und Phila schien schnell zu ermüden, so dauerte die Reise sechs Tage, von denen sie einen in Aigai verbrachten, um sich auszuruhen und an den Grabhügeln von Philipps Vater und seinem ältesten Bruder Opfer darzubringen. Am vierten Tag erreichten sie das Meer.
»Morgen werden wir uns nach Pella einschiffen«, sagte Philipp und nahm seine Frau bei der Hand. »Komm, laß uns in der Brandung Spazierengehen. Dann wirst du merken, daß ich nicht gelogen habe.«
»Daß das Meer kalt und naß ist?«
»Ja.«
Eine halbe Stunde lang schlenderten sie sorglos wie zwei Kinder über den Strand südlich von Aloros. Sie sahen den Möwen zu, die Muscheln auf die Steine warfen, damit die Schalen aufsprangen.
»Heute abend essen wir einen Steinbutt«, sagte er. »Ichwerde dafür sorgen, daß man uns einen fängt, der so groß ist wie ein Wagenrad.«
Phila bückte sich, um sich die Hand in den Wellen zu benetzen. »Das Wasser ist wirklich salzig«, sagte sie, als sie sich die Finger leckte.
Das brachte Philipp zum Lachen, und er küßte sie, damit sie sich nicht beleidigt fühlte.
Am nächsten Tag segelten sie über den Golf und dann flußaufwärts bis nach Pella. König Perdikkas wartete mit großem Gefolge auf sie, um sie willkommen zu heißen.
»Großartige Nachrichten. Wunderbare Nachrichten!« rief er und umarmte und küßte Philipp. »Die Athener haben bei Amphipolis verloren.«
30
PHILIPP ERFUHR DIE Nachricht von Lachios, der kurz davor seine Männer vom Fluß Strymon zurückgebracht hatte.
»Das konnte sogar ein Blinder sehen, daß es zu Ende gehen würde«, sagte er, als er mit seinem König allein war. Sie saßen am Küchentisch in Glaukons altem Haus, dem einzigen Ort in Pella, wo sie sicher sein konnten, daß niemand sie belauschte. Lachios war kein Mann, der sich leicht Angst einjagen ließ, aber seine Augen hatten den gehetzten Blick eines Mannes, der eine furchtbare Katastrophe gesehen hat. »Die Athener hatten nicht die Ausrüstung für eine lange Belagerung, und auch mit ihrer Flotte konnten sie die Nachschubwege der Stadt nicht abschneiden. Timotheos muß von Anfang an gewußt haben, daß er nie würde siegen können.«
»Er ist ein Geschöpf der Athener Versammlung, die zu viele Hirne hat, um klar denken zu können, und zu vieleAugen, um überhaupt etwas zu sehen. Er muß aus dem, was er hat, das Beste machen.«
»Auf jeden Fall hat er gar nicht bis zum bitteren Ende abgewartet, sondern hat sich zurückgezogen und es einem anderen überlassen, sich den Thrakern zu unterwerfen. Und dein Bruder ist noch vor ihm nach Pella zurückgekehrt und hat mir den Befehl übergeben. Ich bin geblieben, bis Timotheos weg war, und habe meine Männer dann ebenfalls zurückgezogen.«
»Du hast das Richtige getan«, sagte Philipp sachlich. »Wir sind den Athenern nicht so verpflichtet, daß wir unsere Soldaten opfern müßten, nur um unser Gesicht zu wahren. Was hat Perdikkas bei deiner Rückkehr gesagt?«
»Nichts.« Lachios zuckte die Achseln, und er sah verwirrt aus. »In den fünfzehn Tagen seit meiner Rückkehr bin ich nicht zum König vorgelassen worden. Ich habe keine Ahnung, ob er meine Klugheit loben oder mich wegen Fahnenflucht hinrichten lassen will.«
»Hat er dir Befehl gegeben, daß du auf jeden Fall bleiben sollst?«
»Nein.«
»Dann hast du einfach getan, was du für das beste hieltest, und genau das wird von einem Feldherrn verlangt. Bestimmt wollte er einfach abwarten, wie sich die Sache entwickelt. Und wie es aussieht, ist er über Athens Niederlage hocherfreut, das heißt, du hast wahrscheinlich nichts zu befürchten. Auf jeden Fall wird er nichts gegen dich unternehmen, wenn ich ihn mir vorknöpfe, und das werde ich auch, wenn es nötig ist.«
»Danke, Philipp.«
Mit einer Handbewegung deutete Philipp an, daß es ihn beschäme, für eine solche Kleinigkeit Dank zu erhalten, und ließ dann den Blick durch das Zimmer schweifen. Alkmenes Hocker stand noch immer neben dem Herd. Als Kind hatte er hier auf dem Boden gespielt, und an diesem Tisch hatte Glaukon ihm das Rechnen beigebracht. Jetztwar Alkmene tot, und Glaukon kümmerte sich in Aiane um den königlichen Haushalt. Staub bedeckte den Herd, und man roch, daß die Küche schon lange nicht mehr benutzt worden war. Es machte Philipp sehr traurig.
»Wie lange war mein Bruder vor Amphipolis?« fragte Philipp mit ausdruckslosem Gesicht.
»Einen Monat, vielleicht auch ein bißchen länger. Als
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