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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Satellitenempfangsanlage ausgestattet war, die CNN-Reportagen verfolgte. Jammervolle Bilder: trauernde Angehörige auf den Flughäfen JFK und Heathrow, die Mahnwache in einer High School irgendwo auf Long Island, die Reporter mit ihren wilden Spekulationen über die Absturzursache.
    Er machte einen letzten Rundgang durch sämtliche Räume der Jacht, um sich zu vergewissern, daß er keine Spur seiner Anwesenheit hinterlassen hatte. Dann überprüfte er die Sprengladungen.
    Um 18.00 Uhr, pünktlich zur befohlenen Zeit, holte er einen kleinen schwarzen Gegenstand aus der Kombüse. Das Ding war nicht größer als eine Zigarrenkiste und erinnerte vage an ein Funkgerät. Er nahm es mit aufs Achterdeck und drückte auf den einzigen Knopf. Er hörte keinen Ton, aber er wußte, daß die komprimierte Nachricht verschlüsselt gesendet worden war.
    Selbst wenn die amerikanische NSA sie auffing, konnte sie mit diesem sinnlosen Buchstabensalat nichts anfangen.
    Die Jacht lief weitere zwei Stunden nach Osten. Inzwischen war es 20 Uhr. Er machte die Sprengladungen scharf und zog dann eine Segeltuchweste mit einem schweren Metallring auf der Brust an.
    Heute abend war der Wind stärker. Es war merklich kälter,

    und die Sterne verschwanden hinter einer hohen Wolkendecke.
    Das am Heck der Jacht festgemachte Zodiac-Schlauchboot hob und senkte sich rhythmisch in den einen Meter hohen Wellen. Er kletterte in das Boot und zog an der Anreißleine. Der Außenbordmotor sprang beim dritten Zug an. Er drehte von der Jacht ab und gab Gas.
    Zwanzig Minuten später hörte er den Hubschrauber. Er stellte den Motor des Schlauchboots ab und blinkte mit seiner Signallampe. Dann schwebte der Hubschrauber über ihm und erfüllte die Nacht mit dem Knattern seiner Rotorblätter.
    Aus dem Rumpf fiel ein Stahlseil herab. Er befestigte es an seiner Weste und ruckte zweimal daran, um mitzuteilen, daß er bereit war. Im nächsten Augenblick schwebte er aus dem Schlauchboot sanft zum Hubschrauber hinauf.
    In der Ferne waren Explosionen zu hören. Er drehte den Kopf noch rechtzeitig zur Seite, um zu sehen, wie die Jacht durch die Wucht der Detonationen aus dem Wasser gehoben wurde. Dann trat sie langsam ihren langen Weg auf den Boden des Atlantiks an.

2
    SAN FRANCISCO
    Präsident James Beckwith erhielt die Nachricht von der Tragödie, während er in seinem Haus in San Francisco Urlaub machte. Er hatte auf einige Tage Erholung gehofft: auf einen ruhigen Nachmittag in seinem Arbeitszimmer mit Blick auf die Golden Gate Bridge, ein erholsames Abendessen mit alten Freunden und politischen Förderern in Marin. Und vor allem auf einen Segeltag an Bord seiner geliebten 11,5in-Ketsch Democracy, selbst wenn das bedeutete, daß er von einer Horde Kameraleute und Reporter aus dem Pressepool des Weißen Hauses durch die Gewässer der San Francisco Bay verfolgt wurde. Die Segeltörns mit der Democracy lieferten immer Bildmaterial, das seine Mitarbeiter und politischen Berater am liebsten sahen: der Präsident trotz seiner neunundsechzig Jahre noch immer fit und jugendlich, noch immer imstande, sein Boot zu handhaben. Nur Anne war mit an Bord. Das sonnengebräunte Gesicht, die sportlich schlanke Gestalt, die sich lässig auf dem Boot bewegte, die modische Sonnenbrille in europäischem Design unter dem Schirm seiner Air-Force-One-Mütze. Das Arbeitszimmer in Beckwiths geräumigem Haus im Marina District spiegelte seinen Geschmack und sein Image nahezu perfekt wider: elegant, behaglich, traditionell, aber trotzdem mit genügend modernen Elementen, um erkennen zu lassen, daß der Präsident mit beiden Beinen in der heutigen Welt stand. Die Schreibtischplatte war aus Rauchglas, der PC schwarz.
    Beckwith war stolz darauf, so viel von Computern zu verstehen wie die meisten seiner jugendlichen Mitarbeiter, vielleicht sogar mehr.
    Er nahm den Hörer seines schwarzen Telefons ab und drückte auf einen weißen Knopf. Eine Telefonistin des Weißen Hauses sagte: »Ja, Mr. President?«
    »Stelle n Sie bitte vorläufig keine Gespräche mehr durch, außer der Stabschef ruft an, Grace. Ich möchte etwas Ruhe haben.«
    »Selbstverständlich, Mr. President.«
    Er hörte, wie am anderen Ende aufgelegt wurde. Er legte ebenfalls auf und trat ans Fenster. Die Aussicht war wundervoll, trotz der dicken Panzerglasscheibe, auf die der Secret Service bestanden hatte. Die tief am Abendhimmel stehende Sonne hatte die Stadt in sanfte Aquarelltöne aus Purpur und Orange getaucht. Der abendliche Nebel

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