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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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wurde.
    »Marchese Gravelli und Gemahlin«, stellte Alberti ihm ein älteres Paar vor. »Ihr Haus ist voller Gemälde.«
    Gravelli war hager und hochgewachsen und trug einen roten Samtanzug. Seine Frau war dreimal so dick wie er, und ihr mächtiger Busen erinnerte an die geblähten Segel einer spanischen Galeone.
    »Aha, der schöne David in leibhaftiger Gestalt«, sagte sie fröhlich. »Leons Feste sind selten langweilig.«
    Alberti war plötzlich verschwunden, wie Leonardo mit leichter Panik bemerkte. In dem Gedränge hatte er ihn gar nicht weggehen sehen.
    »Stehst du nur Modell, oder bildhauerst du auch selbst?«, wollte der Marchese wissen. »Ich meine: Du scheinst mir noch sehr jung zu sein für einen…«
    »Ich bin angehender Maler«, sagte Leonardo hastig. Er kippte seinen Wein hinunter und suchte nach einem Fluchtweg. Und sei es nur, um dem Mundgeruch der Marchesa zu entkommen.
    Der Wein war süßer und stärker als der aus dem Fässchen der Meister in der Werkstatt. Als Lehrling durfte man zwar eigentlich nicht davon nehmen, aber die Meister hatten nicht immer ein Auge darauf.
    Leonardos Blick fiel auf die Musiker. Es war auch eine Frau darunter, die die lira da braccio spielte. »Ich bitte um Verzeihung«, sagte er zur Marchesa, »ich muss kurz…« Ohne seinen Satz zu beenden, huschte er davon.
    Die Musikerin war nicht Adda, wie er mit leiser Enttäuschung feststellte, als er sich weit genug vorgearbeitet hatte. Sie war im gleichen Alter, sah aber ganz gewöhnlich aus. Als sie merkte, dass Leonardo sie ansah, lächelte sie.
    »Ich hörte von Andrea, dass du auch Musik machst.« Alberti war wieder an Leonardos Seite aufgetaucht. »Wenn du Lust hast?«, sagte er und lud ihn mit einer Handbewegung ein, auf das kleine Podium zu gehen.
    Leonardo schreckte der Gedanke zunächst, doch zugleich verspürte er einen eigenartigen Drang, einem so großen Publikum etwas darzubieten. Ein Kitzel, der wohl auch etwas mit dem Wein zu tun hatte, darüber war er sich im Klaren. Zögernd sagte er: »Ich weiß nicht, ob ich gut genug bin…«
    »Natürlich bist du gut genug«, sagte Alberti und winkte der jungen Frau mit der Lira. »Unser Freund hier löst dich ein Weilchen ab. Du kannst ein wenig frische Luft schnappen.«
    Und so saß Leonardo, eh er sich’s versah, auf einem Hocker auf dem Podium und hatte eine lira da braccio in den Händen. Um erst einmal ein Gefühl für das Instrument zu entwickeln, begleitete er zunächst nur den anderen Liraspieler und den Mann mit dem Brummtopf, aber nach Beendigung des Stücks sagte er: »Wenn ihr nichts dagegen habt, spiele ich etwas Eigenes, ja?«
    Der andere Liraspieler nickte ergeben. »In welcher Tonart?«
    »Äh… Moll.«
    Leonardo strich einen Akkord, schaute kurz zu Alberti, der ermunternd seinen Römer hob, und begann zu spielen und zu singen:
Als Eva wurd geschaffen,
konnt Adam nur dumm gaffen.
O Gott, für die Xanthippe
nahmst du mir meine Rippe!
    Unruhig forschte Leonardo, wie die Umstehenden reagierten, aber als er sah, dass hier und da gelacht wurde, fuhr er mit noch größerer Verve fort:
Sie war auch gar nicht bange,
schloss Freundschaft mit der Schlange.
Das Ende dieser Freundschaft hieß
Vertreibung aus dem Paradies…
    Von seinem erhöhten Sitzplatz aus bekam Leonardo etwas weiter weg seinen Vater und Francesca in den Blick. Sie standen demonstrativ mit dem Rücken zu ihm. Das dämpfte seinen Schwung sofort. Obwohl beifällig geklatscht wurde, als er geendet hatte, war ihm mit einem Mal die Lust vergangen. Er legte die Lira hin, dankte dem Publikum mit einer kleinen Verbeugung und sprang vom Podium.
    Alberti fasste ihn mit überraschender Kraft beim Arm, bevor er sich verdrücken konnte. »Lässt du uns schon im Stich?«
    Leonardo schaute kurz auf die schlanke Hand auf seinem Arm. »Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, Herr Alberti, aber das Gefühl, dass ich nicht hierher gehöre, ist plötzlich übermächtig geworden.«
    »Hm, ich glaube, das kannst du selbst am allerschlechtesten beurteilen.« Alberti zog seine Hand zurück. »Aber vielleicht hast du ein klein wenig recht, vielleicht ist es noch etwas zu früh für dich.« Er schien kurz zu überlegen. Dann fragte er: »Ich hörte, du bist ein guter Reiter?«
    »Gibt es etwas, was Sie nicht wissen, Herr Alberti?«
    Alberti zog es vor, nicht darauf zu antworten. »Ich habe eine feurige Araberstute im Stall, die dir vielleicht liegen könnte. Ich möchte dich gerne einladen, bei Gelegenheit einmal mit mir

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