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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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dipintore nennen.«
    »Sieh an, sieh an. Mir ist auch zu Ohren gekommen, du habest an der Anbringung der Kugel auf der Domkuppel mitgearbeitet?«
    »So, zu Ohren gekommen ist dir das?«
    »Wie sonst hätte ich es erfahren sollen?«
    Da seine Konzentration nun doch dahin war, legte Leonardo Palette und Pinsel beiseite. »Wenn man sich wirklich für einen Menschen interessiert, verfolgt man sein Tun auf Schritt und Tritt.«
    Ser Piero runzelte die Augenbrauen. »Soll das ein Vorwurf sein?«
    Leonardo zuckte die Achseln. »Keine Kunst ohne Provokation, heißt es.« Er musterte seinen Vater aus der Nähe. Tiefe Furchen um den Mund sah er. Vor allem wenn Ser Piero wie jetzt die Lippen zusammenpresste. Auch das war neu. Und in seinem linken Augenwinkel war Blut von einem gesprungenen Äderchen. Diese äußerlichen Veränderungen machten ihm seinen Vater noch fremder als früher.
    Ser Piero fragte: »Ist dir eigentlich klar, was mich deine Ausbildung in den vergangenen Jahren gekostet hat?«
    Gelassener, als er es im Innern war, entgegnete Leonardo: »Soweit ich mitbekommen habe, sind einige bedeutende Aufträge meines Lehrmeisters über dich zustande gekommen, und dafür streicht ein Notar wie du doch gewiss satte Provisionen ein. Ich gehe also davon aus, dass sich die Ausgaben für mich in Form hübscher Gewinne rentiert haben.«
    Ser Piero holte tief Luft. »Dass du jetzt den Jahren nach erwachsen bist, heißt noch lange nicht, dass du mir keinen Respekt mehr schuldest.«
    Leonardo nickte, während er zu einem fleckigen Tuch griff, um sich die Farbe von der linken Hand zu wischen. »Seltsam, dass schlichte Wahrheiten immer so viel kränkender zu sein scheinen als grobe Lügen.« Er warf das Tuch auf den Tisch. »Noch etwas von meiner Mutter gehört in letzter Zeit?« Die Frage klang so beiläufig, dass Ser Piero kurz überrascht wirkte.
    »Warum fragst du mich denn das auf einmal?«
    »Tja, ich denke eben manchmal an sie. Das haben Kinder wohl so an sich.«
    Ser Piero schwieg einige Augenblicke, bevor er in verändertem Ton fragte: »Leonardo… weshalb plötzlich diese Feindseligkeit?«
    Leonardo schüttelte den Kopf. Empfand er Feindseligkeit gegenüber seinem Vater? Nein, dachte er, aber Liebe empfinde ich auch nicht für ihn. Und Respekt musste man sich seiner Auffassung nach erwerben, der stand einem nicht einfach per Geburtsrecht zu, und den konnte man sich auch nicht dadurch erkaufen, dass man seinem unehelichen Sohn ein Dach über dem Kopf bot und ihm seine Ausbildung bezahlte. Eigentlich wusste er nicht so genau, was er für seinen Vater empfand. Gleichgültigkeit war wohl der Ausdruck, der es am besten traf.
    Leonardo sagte: »Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.«
    »Nein, ich habe nichts mehr von deiner Mutter gehört. Und warum fragst du überhaupt? Sie hat dich doch schließlich vor die Tür gesetzt!«
    Nicht sie, dachte Leonardo, sondern der Mann, mit dem du sie verkuppelt hast. Aber er entschied sich, nicht weiter darauf einzugehen. Dieses Gespräch war ohnehin sinnlos. Ser Pieros Leben kreiste um Urkunden und Verträge, Akten und Geld, und er hatte keinen Sinn für Gefühlsanwandlungen, die aus seiner Sicht wohl nur alles erschwerten. Man konnte ja auch einem Hund nicht zum Vorwurf machen, dass ihm sein Fressen leicht verdorben am besten schmeckte.
    Leonardo fragte schließlich: »Und was verschafft mir die Ehre deines Besuchs?«
    »Nun, vielleicht interessiert es mich ja wirklich, wie es dir ergeht?«
    Leonardo lächelte leise: »Nein, im Ernst.«
    Sein Vater öffnete die Ledertasche, die er an einem Riemen über der Schulter trug, und nahm ein Stück Feigenbaumholz heraus, das wie ein runder Schild geschnitten war. »Von einem Bekannten. Er fragte, ob du etwas Hübsches darauf malen könntest.«
    Leonardo nahm das Stück Holz entgegen. Es war ein wenig verzogen. Wenn er etwas Gutes daraus machen wollte, musste er es zunächst erhitzen und in Form biegen.
    »Wenn er mit deiner Arbeit zufrieden ist, zahlt er dir fünfzig Dukaten dafür.«
    »Und welches Thema möchte dieser Bekannte dargestellt sehen?«
    »Das überlässt er ganz dir. Hauptsache, es wird gut.«
    Leonardo nickte und warf das Stück Holz achtlos zu den anderen Siebensachen auf dem Tisch. »Ich werde es mir überlegen.« Er sah seinen Vater an. »Noch etwas?«
    Ser Piero war in die Betrachtung der erst teilweise fertiggestellten Verkündigung vertieft. »Ein bisschen steif vielleicht, aber ich habe schon weniger schöne Versionen

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