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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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gesehen…«
    »Ein wahrlich großes Kompliment!«
    Ser Piero zuckte die Achseln. »Ich verstehe nicht viel von Kunst, der tiefere Sinn solcher Darstellungen entzieht sich mir. Aber ich könnte deine Geldangelegenheiten für dich regeln, wenn du es möchtest.« Er sah Leonardo abwartend an.
    Der schüttelte den Kopf. »Du erinnerst dich vielleicht, dass ich ausgezeichnet rechnen kann. Ich weiß mich schon zu behelfen. Und ich bekomme viel Unterstützung von Verrocchio.« Letzteres entfuhr ihm ungewollt ein bisschen provozierend.
    Ser Piero nickte langsam. »Dann werde ich mich jetzt wieder meinen eigenen Angelegenheiten zuwenden.«
    »Grüß Onkel Francesco von mir«, sagte Leonardo noch, während er sich bereits wieder seiner Arbeit zuwandte.
    Wenige Wochen später klopfte Verrocchio eines Abends bei Leonardo an. Als dieser nicht gleich reagierte, rief er: »Leonardo, bist du da?«
    »Augenblick«, kam Leonardos Stimme gedämpft aus seinem Zimmer. Es dauerte eine Weile, bis er die Tür einen Spaltbreit öffnete.
    »Ich möchte doch mal wissen, was hier so fürchterlich stinkt«, sagte Verrocchio. Mit gerümpfter Nase versuchte er, an Leonardo vorbei in den dunklen Raum zu spähen. »Liegen hier tote Ratten herum, oder was?«
    »Bitte nicht hereinkommen«, sagte Leonardo, »sondern einfach nur schauen.« Mit diesen Worten öffnete er die Tür ganz.
    Verrocchio erstarrte, schlug die Hand vor den Mund und prallte einen Schritt zurück. Erst dann ging ihm auf, was er dort sah. »Mein Gott! Ich dachte doch tatsächlich…« Er stierte mit weit aufgerissenen Augen auf das monströse Bild, das, von einer einzelnen Kerze beleuchtet, in einer Ecke des Zimmers stand.
    »Dass du den leibhaftigen Teufel vor dir hättest?«
    Verrocchio nickte sprachlos. Zögernd trat er in den Raum hinein. »Bah, das ist ja abscheuerregend!«
    »Schön«, sagte Leonardo. »Ziel erreicht.«
    Er schaute mit Verrocchio auf den Holzschild, den er mit einem Feuer speienden, garstigen Ungeheuer bemalt hatte. Als Vorlage dafür hatten ihm aufgesperrte Eidechsenmäuler, ein großer Fischkopf, eine meterlange Natter, eine zerteilte Kröte, eine Fledermaus mit bösartigem Kreischen im Gesicht, etliche Spinnen und Heuschrecken und sonstiges Getier gedient, das er auf seinen Streifzügen vor den Toren der Stadt gefunden hatte.
    »Abscheuerregend und doch beeindruckend«, stellte Verrocchio fest.
    Leonardo nickte. »Wie so vieles in der Natur. Mein Vater hat das für einen Bekannten bestellt.«
    »Hat er ausdrücklich um so ein Monstrum gebeten?«
    »Nein, aber mir erschien es ganz passend dafür.«
    »Aber was für ein Gestank! Liegen die Tierkadaver, die dir als Modell gedient haben, etwa noch unter deinem Bett?«
    »Nein, seit gestern ist alles weg. Den Geruch wird man etwas schwerer los, aber ich habe mich daran gewöhnt.«
    »Weihrauch hilft bestimmt, hol dir welchen von unten.« Verrocchio schaute erneut auf den Schild. »Wie kannst du dabei schlafen?«
    »Ein gemalter Alptraum braucht nicht mehr geträumt zu werden.«
    »Ich wünsche diesem Bekannten deines Vaters gute Nerven.«
    Verrocchio war froh, als er wieder draußen auf dem Flur stand. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, was diesem Schüler – der beste, den er je unterrichten durfte – eigentlich im Kopf herumspukte.
    Am nächsten Tag, einem weiteren in einer langen Folge schöner Sommertage, hielten kurz vor Mittag plötzlich alle in der Werkstatt in ihrer Arbeit inne. Auf der Straße näherte sich das Geklapper vieler Pferdehufe, und die Blicke wandten sich erwartungsvoll zum Fenster. Dort sah man mehrere bewaffnete Reiter auftauchen, die ihre Pferde direkt vor dem Haus zum Stehen brachten.
    »Il Magnifico!« , flüsterte Giovanni Racanato mit ehrfürchtiger Stimme.
    Verrocchio stürzte zur Eingangstür, kam aber zu spät. Die Tür wurde bereits aufgestoßen, zwei der Lanzenreiter postierten sich links und rechts davon, und Lorenzo de’ Medici trat ein. Verrocchio machte eine tiefe Verbeugung vor dem hohen Herrn und klatschte dann, an seine Mitarbeiter gewandt, ermahnend in die Hände: »Genug gegafft, ans Werk!«, kommandierte er, und man machte sich eilig wieder an die Arbeit. »Willkommen, Euer Exzellenz. Womit kann ich Euch zu Diensten…«
    »Mein guter Freund Leon Battista Alberti empfahl mir Meister Leonardo da Vinci«, unterbrach ihn der Stadtherr. »Für den Entwurf eines neuen Mantels.«

7

    »Ein Brief, für mich?« Neugierig erbrach Leonardo das Siegel auf dem etwas

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