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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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schmuddeligen, zweimal gefalteten Papier, das Verrocchio kurz zuvor von einem Kurier erhalten hatte. In regelmäßiger, gestochen scharfer Handschrift stand darauf zu lesen:
Hochverehrter Meister da Vinci,
Ihr Vater, mein geschätzter Amtsbruder Ser Piero, hat mir den Schild überbracht, den er auf meine Bitte von Ihnen bemalen ließ. Es ist ein überaus furchterregendes Kunstwerk geworden, das Ihre Meisterschaft zweifelsfrei unter Beweis stellt, falls es dessen überhaupt noch bedurfte. Zwar schwebte mir eine Verzierung ganz anderer Art vor, doch einerlei, meine zweihundert Dukaten ist es mir allemal wert.
Ich danke Ihnen ergebenst für die auf das Werk verwandte Mühe und Sorgfalt und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg.
Mit der allergrößten Hochachtung
Ser Agusto
    Leonardo ließ den Brief sinken und sah Verrocchio an. »Wie nennt man einen Vater, der seinen eigenen Sohn betrügt?«
    »Notar«, antwortete Verrocchio, ohne zu zögern. Als aber Leonardo den Brief zerknüllte, ermahnte er ihn vorwurfsvoll: »Du hättest die Rückseite noch zum Zeichnen verwenden können.«
    »Darauf würde mir die Hand zu sehr zittern.« Leonardo warf das Papierknäuel weg. »Aber eines muss ich meinem Vater wohl lassen, in Geldangelegenheiten hat er mir etwas voraus. Es genügt offenbar nicht, dass man gut rechnen kann.«
    »Ich wüsste jemanden, der dir gegen eine angemessene Vergütung dabei helfen könnte. Er ist äußerst vertrauenswürdig.«
    Leonardo nickte seufzend. »Sonst werde ich es wohl nie zu Reichtum bringen.«
    »Mit dir habe ich ehrlich gesagt schon gar nicht mehr gerechnet«, sagte Magdalena, als Leonardo völlig unerwartet in ihrem Laden stand, eine Rolle Papier unter dem Arm, in der einen Hand eine zusammengeklappte Staffelei und in der anderen einen kleinen Koffer mit Zeichenmaterial und anderen Utensilien.
    »Ich wollte dich nicht malen, solange ich mich nicht für reif genug hielt.«
    »Du meinst also, dass du deine eigene Reife beurteilen kannst?«
    »Ich sehe meine Unvollkommenheiten, Magdalena. Aber da es Vollkommenheit nun einmal nicht gibt, werde ich mich mit meinem begrenzten Können behelfen müssen.«
    »Höre ich da so etwas wie falsche Bescheidenheit?«
    »Falsch ist sie gewiss nicht. Irgendwer hat mir sogar einmal gesagt, ich sollte mich lieber ein bisschen mehr aufplustern. Aber das kann ich noch nicht so gut.«
    »Adda ist nicht da.«
    »Ich komme vor allem deinetwegen.«
    »Wie schön, dass ich noch so anziehend auf charmante junge Männer wirke.«
    Leonardo schaute einen Moment verwirrt, bis er Magdalenas spöttische Miene sah. »Verzeih, wenn ich das so sage, aber ich betrachte dich… äh… eher als Kunstobjekt.«
    Magdalena runzelte die Stirn. »Ist das nun ein Kompliment oder eine Beleidigung?«
    »Nichts läge mir ferner, als dich zu beleidigen«, erwiderte Leonardo aufrichtig. Er deutete zum hinteren Teil des Raumes. »Dort ist das Licht gut, würde es dir etwas ausmachen, dort Platz zu nehmen?«
    »Also, da stehst du nach all der Zeit gleichsam wie vom Himmel gefallen vor mir und fragst nicht einmal, ob ich überhaupt Lust habe, für dich Modell zu sitzen!«
    »Oh…«, stammelte Leonardo. »Du brauchst auch nicht die ganze Zeit stillzusitzen, Hauptsache, ich kann hin und wieder einen Blick auf deine Züge werfen. In dieser Phase geht es nur um einen Karton.«
    »Einen Karton?«
    »Eine Vorzeichnung auf Papier, einen Entwurf für das spätere Gemälde.«
    »Wollen wir nicht noch einen Moment warten, bis Adda da ist? Dann kann sie im Laden bedienen, wenn Kunden kommen.«
    »Ja, natürlich. Sie gehört im Übrigen auch dazu.«
    »Milch, Bier, Wein?«
    »Ein Bier, gern.« Leonardo hatte keinen Durst, aber er wollte die Gelegenheit nutzen, Magdalena zu studieren, während sie sich von ihm entfernte und wieder zurückkam.
    »Ich finde es nach wie vor seltsam, dass du ausgerechnet mich als Modell willst, wo doch in Florenz viel schönere Frauen herumlaufen«, sagte sie, als sie kurz darauf einen Krug und einen Becher auf den Tisch stellte. Sie versuchte, Leonardo in die Augen zu schauen, doch er wich ihrem Blick aus. »Bist du dir auch sicher, dass du nicht eigentlich Addas wegen kommst? Denn wenn dem so wäre, bräuchtest du es dir nicht so schwer zu machen.«
    »Adda ist wirklich sehr hübsch, keine Frage. Aber…« Leonardo wand sich unbehaglich.
    »Sie ist dir zu alt.«
    »Ach, was sind schon ein paar Jahre.« Er zuckte die Achseln. »Früher oder später werden wir sowieso alle wieder zu

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