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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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wohlhabende Familie nicht schützen konnte.
    »Ich habe etwas entworfen, womit man einen etwaigen Sturz auffangen könnte«, sagte Leonardo. Er breitete eine weitere Zeichnung aus. Darauf war eine pyramidenförmige Konstruktion abgebildet. »Hiermit kannst du von einem hohen Berg springen und unversehrt unten landen. Aber ich fürchte, das Ganze dürfte zu schwer werden, als dass man es in einem Segelgefährt mitnehmen könnte. Das viele gestärkte Tuch und das Holz des Rahmens…«
    Paolo fragte: »Hast du das Ding schon ausprobiert?« Seine Stimme verriet Respekt.
    Leonardo schüttelte ungeduldig den Kopf. »Nebensache.« Er klopfte auf die erste Zeichnung. »Segeln, fliegen, das ist es, was mich beschäftigt.«
    »Kannst du diesen Vogel nicht vom Dach werfen, ohne selbst darin zu liegen? Nur um zu sehen, was er macht?«
    »Daran habe ich natürlich auch schon gedacht, aber…« Leonardo seufzte. »Ich möchte so furchtbar gerne erfahren, was das für ein Gefühl ist, wenn man wie ein Vogel…« Er verstummte frustriert. Wie so oft ließ sich nicht mit Worten erklären, was in ihm vorging. »Es muss möglich sein«, murmelte er kaum hörbar. Er sah Paolo an. »Du bist besonders geschickt im Umgang mit Holz.«
    Paolo machte ein erschrockenes Gesicht. »Denkst du etwa, ich will dazu beitragen, dass du verunglückst?«
    »Dein Vertrauen in meine Berechnungen scheint ja nicht besonders groß zu sein!«
    »Doch, doch, es ist nur so, dass… Es sieht so furchtbar gefährlich aus!«
    Leonardo legte die Hand auf den Arm des anderen. »Dass du so um mich besorgt bist, rührt mich«, sagte er. Wie ernst er das meinte, war schwer zu ersehen. »Aber ich möchte diesen Plan verwirklichen, mit oder ohne deine Hilfe.«
    »Leonardo…« Paolo machte ein unglückliches Gesicht. »Ich will alles tun, was in meiner Macht steht, um dir zu helfen, natürlich will ich das. Aber… Ich flehe dich an, probier es erst aus, ohne deinen eigenen Hals zu riskieren!«
    Leonardo nickte langsam. Vielleicht war Paolo in dieser Hinsicht vernünftiger als er selbst. Oder er hing stärker am Leben.
    »Wir werden sehen. Ich schaue mich schon einmal nach einem möglichst leichten Holz um.«
    »Pappel oder Weide«, sagte Paolo prompt.
    »Und nach Material für die Bespannung der Flügel. Linnen wird zu schwer, wenn es luftundurchlässig sein soll.«
    »Pergament?«
    »Hm, das wäre vielleicht eine Überlegung wert. Aber es ist nicht so stabil.«
    »Linnen zerreißt auch, wenn man mit irgendetwas kollidiert, Meister.«
    Leonardo schaute auf. Paolo nannte ihn nur selten »Meister«, wenn sie untereinander waren. »Ich werde mich wirklich bemühen, mir nicht das Genick zu brechen, Paolo.«
    »Das hoffe ich. Ich kann es mir nämlich nicht erlauben, meine Arbeit zu verlieren.«
    »Leon Battista Alberti hätte gesagt: Florenz kann es sich nicht erlauben, einen so befähigten Künstler zu verlieren.«
    »Ich bin nun mal ein Egoist«, erwiderte Paolo ernst.
    Zu Leonardos Überraschung kam sein erster großer Auftrag als selbständiger Maler von der Signoria. Es ging um ein Altarbild für die Capella di San Bernardo im Palazzo della Signoria. Er nahm an, dass Lorenzo de’ Medici ihn empfohlen hatte, nachdem der namhafte Piero del Pollaiuolo den Auftrag aus unbekannten Gründen abgelehnt hatte. Denn Leonardo war davon überzeugt, dass er bei der Signoria nicht gerade gute Karten hatte, zumal nun auch noch der »lasterhafte« Paolo unter seinem Dach lebte.
    Der Auftrag hätte eigentlich eine große Ehre für Leonardo sein müssen, doch stattdessen hatte er überhaupt keine Lust zu dieser Arbeit. Die Vorgaben waren ihm zu strikt. Sein Bild sollte ein älteres, nicht sonderlich gelungenes Gemälde von Bernardo Daddi ersetzen, das darstellte, wie Maria dem heiligen Bernard erschien. Und genau das sollte Leonardo ohne größere Abweichungen noch einmal malen. Für ihn war das reine Nachahmung, die ihm zutiefst zuwider war. Daran konnte auch der Vorschuss von fünfundzwanzig fiorini wenig ändern. Leonardo fertigte einen Karton an, den er prompt ins Feuer warf, weil er gar nicht damit zufrieden war. Und danach brütete er wieder über dem Entwurf für seinen künstlichen Vogel.
    »Wir brauchen Arbeiten, die wir potenziellen Kunden schmackhaft machen können«, sagte Paolo. »Diese Madonna in der Felsengrotte und die paar Studien von Pferden und Hunden, die du in der Werkstatt aufgehängt hast, reichen bei weitem nicht aus.«
    »Ich habe anderes zu tun«, entgegnete

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